Winternacht – Vetrnóttablót

22. Oktober 2012 | Von | Kategorie: Kultur & Weltbild, Ætt Feature

In manchen Traditionen vermischen sich das Erntedankfest und das Fest zum Winterbeginn, schon wegen ihrer zeitlichen Nähe, obwohl die beiden Herbstfeste unterschiedliche Anlässe haben: Dankopfer für die Ernte – zum Beispiel für den Fruchtbarkeitsgott Freyr (ein überlieferter Name für das Entedankopfer ist Freyfaxi) und Schutzopfer gegen die Gefahren der dunklen Jahreszeit -zum Beispiel an den „Totengott“ Odin / Wodan, der oft im Zusammenhang mit der Winternacht genannt wird.
Birken im Herbst

Nordgermanisch bzw. altnordisch heißt das Opferfest zur Winternacht, der Nacht, in der der Winter beginnt, Vetrnóttablót, im angelsächsischen Raum Winterfylleth.
Bei den Kelten heißt das Fest zum Beginn des Winters Samhain, allgemein besser bekannt in seiner christianisierten Fassung als Halloween.
Es ist – rein kulturhistorisch gesprochen – nicht ganz klar, ob die germanische Winternacht das genaue Gegenstück zu diesem keltischen Fest ist.
Ich persönlich neige zu der Auffassung, dass das nicht der Fall ist, denn die für Samhain typischen Ahnenbräuche sind im germanischen Kulturraum doch eher mit Jul verbunden und die Zeit, in der die Tore zum „Jenseits“ durchlässig sind, sind nach germanischem Verständnis die Raunächte. Trotzdem gibt es viele Gemeinsamkeiten.

Im Jahresablauf einer landwirtschaftlich geprägten Gesellschaft ist erst dann Zeit zum Feiern, wenn die Erntearbeiten abgeschlossen sind. Außerdem war der Herbst die Hauptzeit, in der die Tiere, vor allem Schweine, geschlachtet wurden – vor allem, um im Winter Futter zu sparen. Geräuchertes Fleisch, Hartwurst oder Pökelfleisch hielten sich bis zum Frühjahr. Deshalb ist eine alte Bezeichnung des November auch „Blutmond“. Es versteht sich beinahe von selbst, dass das ein guter Anlass für ein großes Festmahl, verbunden mit einem Opferritual, ist.
Die enge Verbindung zum landwirtschaftlichen Jahresablauf erklärt, wieso der Termin der Winternacht im hohen Norden früher liegt als in Mitteleuropa.
In Skandinavien ist die Nacht vom 14. auf den 15. Oktober der traditionelle Winternachtstermin. In Island feiert man am Sonntag zwischen dem 21. und 26. Oktober. Für den „südgermanischen“ Raum ist ein Termin um Ende Oktober bis Mitte November, also zur selben Zeit wie Samhain, plausibel. Ob die Winternacht wirklich ein Vollmondfest war, gefeiert zum ersten (oder zweiten) Vollmond nach der Sonnenwende, im Gegensatz zum Neumondfest Samhain, ist meines Wissens nicht gesichert. Jedenfalls ist es in der (rekonstruistischen) Form des Ásatrú, vor allem bei Anhänger Forn Siðr, üblich, die Winternacht am ersten Vollmond im Oktober zu begehen, das wäre dieses Jahr (2012) der 29. Oktober, also ziemlich nahe am Halloween-Termin. Der zum Beispiel von der Firne Sitte Thüringen verwendete germanische Lunisolarkalender ist, historisch gesehen, nicht unproblematisch (hierzu auf den Seiten des Eldarings der – allerdings m. E. mit etwas Vorsicht zu genießende – Aufsatz „Der germanische Mondkalender“). Das bedeutet allerdings nicht, dass die Festtermine „falsch“ seien, nur weil dieser Kalender vielleicht nicht ganz „historisch authentisch“ ist. Die Feste fielen sowieso zu unterschiedlichen Zeiten in unterschiedlichen Regionen unterschiedlich, also ist der erste Oktobervollmond als Termin der Winternacht genau so „legitim“ wie der 31. Oktober, der erste Novemberneumond oder der 11. November usw. usw..

Auf Island fand zu der Zeit der Winternacht der Aufgebotsthing (Leiðarþing) statt, in etwa vergleichbar mit dem Heerbann im kontinentaleuropäischen Mitteleuropa: ein Aufgebot der waffenfähigen freien Männer, allerdings in der Regel nicht unmittelbar für einen Krieg. Leiðar bzw. Leidar bezeichnete in der Wikingerzeit eine Art Miliz. Es verstand sich, dass die Bauernkrieger nicht „einberufen“ wurden, solange die Männer mit der Ernte beschäftigt waren. Beim Leiðarþing gab es anscheinend nicht nur Waffenübungen, sondern auch sportliche Wettkämpfe und Spiele. Nach der Hallfreðar-Saga gab es zur Winternacht Gelage und Ballspiele – die Spiele bestanden fort, nachdem es keine Aufgebotsthinge mehr gab. Typische Sportarten könnten Knátteikr, das mit dem heute noch in Irland gespielten Hurling verwandt ist, und das Glima-Ringen gewesen sein.

Eine interessante Website über „altnordische“ Spiele, nicht nur zur Winternacht:
Hnefatafl.net

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2 Kommentare
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  1. Danke für die erhellenden Einsichten ! 😉 Ich hatte mich noch nie näher damit beschäftigt -a ebr die letzten Tage trieb es mich doch mal um.

    Wir werden´s wohl am kommenden Wochenende begehen. 😉

  2. interessant. es ist für uns hier das einzige der mondfeste, das zu neumond gefeiert wird. Und dann ganz klar mit dem ahnengedenken. obwohl ich da schon die frage hab, ob es nicht wirklich ein vorgezogenes ahnenfest ist und das nicht eigentlich eher um jul herum war bzw. in der zeit danach und die kirche, die weihnachten auf mitwinter legte, das ahnenfest als sehr verbindende angelegenheit einfach vorverlegte. ach manchmal wäre ich schon gerne mal mäuschen (nur zum gucken, so ganz ohne risiko)…
    erntedank wird zwar begangen, wenn die ernte noch nicht durch ist, aber eben auch vieles noch nicht verarbeitet. und die wirkliche arbeit, das einkochen, haltbarmachen kommt nach dem Ende September… mir war das früher nicht so klar, aber als ich mir hier unsere abläufe angeschaut hab, also das ganze jahr mit seinen phasen der aussaat, pflege, ernte, haltbarmachen, verzehren, das knapp-werden und mir anschau, wann zB mägde/knechte in lohn und brot genommen wurden und wann sie entlassen wurden, da wurden manche der zusammenhänge klarer. aber es ist eben interpretation. (wenn ich mich hier so durch“arbeite“ würde ich euren haufen schon gerne mal in echt und farbe kennenlernen;)

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