Was uns alle verbindet

30. Januar 2010 | Von | Kategorie: Odins Auge Artikel, Ætt Feature

Dass die Spezies Homo Sapiens genetisch gesehen eine recht einheitliche Art ist, und dass jeder Versuch, die trotzdem bunte Vielfalt der Menschheit in verschiedene, womögliche klar abgegrenzte, „Rassen“ zu unterteilen, pure Willkür ist, sollte sich allmählich herumgesprochen haben: „Menschenrassen gibt es nicht“.
Weil der Rassismus glücklicherweise unter zivilisierten Menschen nicht mehr politisch opportun ist, greifen jene, die auf Ungleichwertigkeitsvorstellungen und Überlegenheitsdünkel nicht verzichten wollen, gern auf den Begriff „Kultur“ zurück.

Die fixe Idee eines „Clash of Civilisations“ ist leider auch abseits der „üblichen Verdächtigen“ weit verbreitet. (Die „üblichen Verdächtigen“ sind Rechtsextremisten jeder Couleur, christlich-konservative bis christentümelnd-reaktionäre selbsternannte Retter des Abendlandes, aber auch sich selbst mitunter für „alternativ“ oder gar „links“ haltende Ethnopluralisten.)
Übrigens hat auch der Kulturrassismus, der „Rassismus ohne (biologisch definierte) Rassen“, eine alte Tradition – es sei hier nur an die schlechte alte Zeit des Kolonialismus erinnert, in der die Kolonialherren mit der „Überlegenheit der abendländischen Zivilisation“ höchst unzivilisiertes Verhalten, von „ungleichen Verträgen“ über Zwangsmissionierung bis hin zu Sklaverei und Völkermord zu „rechtfertigen“ versuchten.

Es ist unbestritten, dass die Menschheit eine große Vielfalt an Kulturen, Gesellschaften, Subkulturen, Traditionen usw. aufweist. Aber nicht nur in der Biologie, sondern auch in ihrer Lebensweise haben alle Menschen offensichtlich wesentliche Merkmale, die sie über Kulturen hinweg gemeinsam aufweisen.
Dass „Kultur“ in unserer Gesellschaft vor allem über kulturelle Unterschiede diskutiert wird, womit schon ein gewisser Drall in Richtung Kulturrassismus vorgegeben ist, ist nicht unbedingt böse Absicht: Jeder Reisende in ein fremden Land nimmt zunächst einmal wahr, was anders als gewohnt ist. In Reiseführern, Reisereportagen und auch den meisten ethnologischen Werken wird nicht seitenlang aufgezählt, was denn so alles zum Beispiel bei den Bububus in West-Talastan alles genau so ist wie bei den Eingeborenen Germanistans im exotischen Zentraleuropa.

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Es gibt viele Unterschied, aber unüberbrückbar sind sie nur auf den ersten Blick. Ein „beliebtes“ Feld des „unauffälligen“ Kulturrassismus ist seit jeher die Musik. Etwa wenn arabische Musik pauschal als „disharmonisch“ und „primitiv“ bezeichnet wird, wenn behauptet wird, traditionelle japanische Musik sein den „europäischen Ohr“ „notwendigerweise“ fremd (und im Umkehrschluss die Beliebtheit von „westlicher“ Musik in Japan ein Beispiel für kulturellen Verfall), oder – berüchtigtes Beispiel – Jazz „Negermusik“, die ein kulturell selbstbewusster Europäer zum Erhalt seiner kulturellen Identität ablehnen müsse.
Daher ist dieses (natürlich nicht kulturrassistische) Beispiel so interessant: Musik mit Pinguin III: Exkurs über Gehörbildung . Die Bloggerin, eine versierte Musikerin und meines Erachtens hervorragende Sängerin, schreibt:

Gehörbildung ist immer auf eine bestimmte Musiktheorie bezogen, die für jede Musikkultur spezifisch ist. Ich kann zum Beispiel mit meinem klassisch trainierten Gehör in einer Rockband nicht so viel anfangen, noch weniger im Jazz; und wollte ich eine Expertin in indischer Musik werden, müßte ich mein Gehör vollkommen neu schulen und gleichzeitig die dahinterstehende Musiktheorie lernen.
Schon in der Harmonik der Renaissancemusik, die noch ganz anderen Gesetzen folgt, kann ich nicht mehr auf ein harmonisches Gehör zurückgreifen, das an Schumann und Beethoven trainiert ist, sondern muß mich in diese spezifische Harmonik eigens “einhören”.

Eine ebenfalls sehr versierte Musikerin (die übrigens auch Musikethnologin ist – unter vielem Anderen) entgegnet im Kommentar:

Das geht mir ganz anders. Rockmusik ist ja eine Facette der westlichen Musik und ihres tonalen Systems.

Wobei Du natürlich recht hast mit den unterschiedlichen Feinheiten und Schwerpunkte der diversen Stile.

Ich glaube außerdem, daß jede Art der Gehörbildung eine gute Basis für den Umgang mit Musik (egal welchen Stils) ist. Das zeigt sich besonders, wenn man über den europäischen Tellerrand hinausschaut; in Asien spielt sich z. B. vieles im mikrotonalen Bereich ab, und das muß man dann natürlich erst mal lernen. Aber sogar dabei hilft einem das mitgebrachte Referenzsystem, egal welches es ist. Und Grundtönigkeit ist ja doch irgendwie ein “grund-menschliches” Phänomen …

Was dieses kleine Beispiel zeigt, scheint mir eine allgemeine ethnologische Erfahrung zu sein: Mit etwas Abstand zeigt ein Vergleich auf den ersten Blick höchst unterschiedlicher Kulturen wesentliche Gemeinsamkeiten. Die Unterschiede sind da, sie sind aber überbrückbar.

Diese Erfahrung spricht auch aus einem Interview auf SpOn, das Christoph Antweiler vom Asienzentrum der Universität Bonn zu seinem Buch „Heimat Mensch – was uns alle verbindet“ gab: Antweiler warnt vor Kulturrassismus.
(Buchvorstellung auf Pharmacon.net: Alle Kulturen durch Gemeinsamkeiten verbunden. Eine kritische Rezension dieses Buches auf Antropologi.info: Populärethnologie von Christoph Antweiler.)

Verhaltensmuster, die laut Antweiler universell sind, finden sich in Sexualität, Emotionen, Spiel und Sport, Initiationsriten oder Machtstrukturen. Universell seien zum Beispiel Gastfreundschaft, Vetternwirtschaft und Inzestverbot. Aber auch sei kein Volk frei von Ethnozentrismus, Fremdenfeindlichkeit oder Gewalt zwischen den Geschlechtern.
Diese Feststellung scheint auf den ersten Blick jenen „Kulturfatalisten“ Recht zu geben, die behaupten, die „menschliche Natur sei nun mal so“ und Kriege, Fremdenhass und Frauenunterdrückung seien sozusagen „naturgegeben“. Sogar rechtsextreme Ideologen, die den „universellen Enthnozentrismus“ für etwas moralisch gutes halten (und Fremdhass für eine „gesunde Reaktion“) dürften aufhorchen.
Zu Unrecht, denn wie Antweiler schreibt:

Noch vor hundert Jahren glaubte man, es gäbe Völker, die in Gewaltlosigkeit und paradiesischen Zuständen leben. Diese glücklichen „edlen Wilden“ – wie auch die „bösen Wilden“ – waren allerdings bloß die Projektion eigener Vorstellungen auf fremde Völker. Zwar sind manche Ethnien gewaltarm, doch sie brauchen ebenfalls Strategien zur Gewaltmeidung.

Grundlegende Fragen und Probleme seien weltweit gleich, Kulturen würden diese allerdings unterschiedlich gewichten und andere Lösungsmodelle entwickeln.

Antweiler distanziert sich von zwei gängigen Denkweisen:
Die erste ebenso problematische wie weit verbreitet Denke ist die Vorstellung, dass unterschiedliche Völker und Kulturen „ganz anders“ seien. Das klinge zunächst ganz sympathisch, führe jedoch zu Kulturrassismus. Antweiler nennt ausdrücklich die „Neue Rechte“, die subtil ethnologische Forschung aufgreife, und Kulturen als „interessant und fremd“ darstelle, jedoch bloß um so für deren Verbleib im eigenen Territorium zu argumentieren.
Diese scheintolerante Masche bedeutet, ins politische Schlagwortdeutsch übersetzt: „Tibet den Tibetern, Kurdistan den Kurden, Senegal den Senegalesen. Deshalb gilt auch: Deutschland den Deutschen! Multikulti ist Kulturzerfall, Einwanderung Völkermord auf Raten.“ (Sinngemäß aus Aussagen führender NPD-Demagogen zusammengesetzt.)

Damit distanziert Antweiler sich von jener Sorte Multikulturalismus, deren Extrembeispiel der Etnopluralimus ist: die Vorstellung, unterschiedliche Kulturen würden sozusagen in verschiedenen Welten leben. Wir sind eine Menschheit und wir leben in einer Welt.

Auch die andere weit verbreitete Ansicht, das andere Extrem sozusagen, ist laut Antweiler höchst problematisch: in dieser Denke werden kulturelle Grenzen verleugnet und durch Konzepte wie kulturelle Landschaften und Übergänge ersetzt. Antweiler betont, dass Menschen auch heute in relativ geschlossenen Kontexten sozialisiert würden. Allerdings hätten in einer multikulturellen Gesellschaft immer mehr Menschen auch mehrere Kulturen im Gepäck.

Ob Antweiler immer Recht hat, wage ich nicht zu beurteilen. Spontan ist der Ansatz sicherlich sympathisch. Er stellt im „Spiegel-Online“-Interview zum Beispiel klar, dass entgegen populären Behauptungen jede Kultur ein lineares Zeitkonzept hat. Der moderne Mythos von den Hopi, bei denen das nicht der Fall sei, geht auf den Sprachwissenschaftler Benjamin Whorf zurück, der behauptete, dass die Hopi nicht über Zukunft und Vergangenheit reden und daher auch nicht so denken.

Ob das allerdings auch bedeutet, dass jeder Mensch sich einen Zeitpfeil vorstellt, der in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft geteilt ist, wage ich, aus eigener Erfahrung, zu bezweifeln: die Pfeilmetapher stimmt nämlich nicht so ganz mit meiner persönlichen Zeitvorstellung überein.
Einer der Gründe, weshalb mir „Ásatrú zustieß“ und ich mich der „Nornirs Ætt“ anschloss, ist unzufälligerweise der, dass ich hier auf ein Zeitkonzept stieß, das meiner Denke – und dem, was ich aus der modernen Physik und der modernen Erkenntnistheorie lernte – entspricht: No future! Warum das Germanische keine Zukunft hat. Wobei ich in Diskussionen gerne „es gibt keine Zukunft“ durch den weniger provokativen Ausspruch „die Zukunft ist offen“ d. h. undeterminiert, ersetze – das bedeutet zwar grundsätzlich das Gleiche, erzeugt aber weniger Missverständnisse.

Dieses kleine Beispiel zeigt, dass es bei grundsätzlich gleichen, allgemein menschlichen, Denkstrukturen durchaus individuelle und gruppenspezifische kulturelle Abweichungen gibt.
Dass zum Beispiel die Hopi einen ganz anderen Zeitbegriff hätten als Angehörige der europäischen Kultur, stimmt einfach nicht, ohne dass das bedeuten würde, dass ausgerechnet das kulturelle Konstrukt „abendländisches Zeitmodell“, das spätestens seit der Speziellen Relativitätstheorie heftig mit der „abendländischen“ Wissenschaft kollidiert, auch für sie gültig sei.
Um es mit Antje Schrupp zu sagen „Das Gegenteil ist genau so falsch.“

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3 Kommentare
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  1. „Dass zum Beispiel die Hopi einen ganz anderen Zeitbegriff hätten als Angehörige der europäischen Kultur, stimmt einfach nicht“

    So wie ich das verstanden hab, könnten die schon einen anderen (zB. zyklischen) Zeitbegriff gehabt haben, nur dass sie gar keinen Zeitbegriff, keine Zeiteinteilung oder gar überhaupt keine Zeitlichkeit hätten, ist falsch. Wir nehmen räumlich-zeitlich wahr, das würde glaub ich keiner bezweifeln… .

    Zu Multi-Kulti und Kulturrassismus:

    Es gilt m.E. sowohl Kultur zu schützen als auch kulturellen Austausch und Vermischung zu fördern und dabei Machtstrukturen zu verringern und die Menschenrechte vor Augen zu haben. So würde ich zwar nicht Tibet den Tibetern, aber doch Free Tibet befürworten.

    Gruß, Jari

  2. So ganz verstehe ich nicht, worauf der Artikel abstellt und einige Dinge sehe ich anders….
    Wir sind alles Menschen…..auf diesem Planeten…drum……? Ja, das kann ich unterschreiben.
    Wir Menschen haben alle Gemeinsamkeiten und die überwiegen das, was uns als so trennend erscheint, bei weitem?… Ja, auch hier kann ich zustimmen. Unsere Organe, unsere Gene, unsere grundlegenden Fähigkeiten, selbst unsere Grundbedürfnisse (Essen, Trinken, Schlafen, Schutz…) sind die gleichen, wenngleich sie auch in der Ausprägung aufgrund der unterschiedlichen Lebensumstände nicht unbedingt dieselben sind..
    Weiter und weiter kann man gehen und die Gemeinsamkeiten aufzählen, und in der Tat finde ich, dass das die Chance der Menschheit ist, eben dieses zu tun –damit wir die Gräben zwischen uns zuschütten können oder Wege drüber bauen, auf dass wir immer und überall friedlich zusammen oder doch wenigstens nebeneinander leben können. Ersteres wäre interkulturell, zweites multikulturell. Ersteres kann funktionieren, zweites funktioniert bisher eher nicht. Warum nicht? Nicht, weil es nicht funktionieren könnte, sondern weil sich die Menschen doch unterscheiden und dieses nicht berücksichtigt wird.

    Ich verabscheue jegliche Art von Unterdrückung, Chauvinismus und gar Rassismus. Aber ich habe auch wenig Verständnis für die vielen Gutmenschen, die Negerküsse jetzt Schaumküsse nennen und Herrn Obama als Afroamerikaner bezeichnen (wobei Obama jetzt nur ein Beispiel ist). Ein Afroamerikaner. Aha. Ist das nicht trennend, sogar herabwürdigend? Wir sagen nicht mehr Neger, wir sagen nicht mehr „schwarz“….aber wir müssen immer noch die Abweichung von der Norm beschreiben, und die ist für uns hier in Europa nun mal weiß. Der Neger also bleibt in unserer Vorstellung eben immer noch Neger, selbst wenn die weißen Anteile schon lange überwiegen, selbst und schon gar bei halbe/halbe. Herr Obama z.B. ist US-Amerikaner, er ist zur einen Hälfte sogenannter Weißer, zur anderen schwarzer Afrikaner (denn es gibt ja auch weiße…). Ab welchem Weißegrad wäre er in unseren Medien, in unser aller Köpfe, weiß? Wäre dieses weiß dann besser als schwarz, also eine Aufwertung? Meine ganz persönliche Frage: Wann sind wir in der Lage, auf Katalogisierendes und damit Wertendes ganz zu verzichten? Niemand hat Clinton jemals einen Euroamerikaner genannt.

    Also haben wir doch den Rassismus und Chauvinismus selbst da versteckt, wo wir ihn überwunden glauben, da, wo wir denken, dass wir die Lösung gefunden haben. Und wir stellen fest, dass das, was uns Menschen verbindet, nicht nur Gutes mit sich bringt, sondern auch Negatives, nämlich Furcht und „Angst vor“ und alle daraus folgenden Denk- und Handlungsweisen wie Abwehr, Ausgrenzung, Abneigung, Schuldzuweisung und ggf. „Bestrafung“. „Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht“ – dieser Spruch findet leicht immer und überall Anwendung im menschlichen Nebeneinander, und nur ein Miteinander könnte zu Erkenntnis und damit zu Verständnis führen, selbst wenn man dann doch später eher neben- als miteinander lebt.

    Das bringt uns zu kulturellen Unterschieden. Um die geht es im wesentlichen, wenngleich auch nicht nur. Wie überall im Pflanzen- und Tierreich passt sich auch der Mensch in seiner „Biologie“ auf Dauer seiner Umgebung an. Und je indigener Menschen leben, umso wichtiger sind für die Nachkommen das Herausbilden bestimmter körperlicher Fähigkeiten und Eigenschaften, die sie befähigt, in ihrer spezifischen Umgebung zu überleben, die sie unter Umständen aber auch anfällig machen, wenn andere Einflüsse plötzlich auf sie zukommen. Die einfachsten Beispiele dafür sind die absolute Alkoholunverträglichkeit bei zahlreichen Völkern oder die Krankheitsanfälligkeit und Abwehrschwäche bei anderen Völkern gegenüber dort bislang unbekannten „Kinderkrankheiten“.

    Mit diesen Unterschieden lässt sich jedoch trefflich auch zusammen leben oder sie sind zu überwinden. Die meisten Unterschiede, die Menschen voneinander ernsthaft trennen, sind jedoch sozio-kultureller Art. Wir Menschen sind nur eine Rasse, sind aber in unseren einzelnen Gemeinschaften von unser jeweiligen Umgebung und Lebensweise geprägt; wir sind konditioniert, und zwar so stark, dass wir die Konditionierung als solche gar nicht erkennen, sondern „unser“ Denken und Handeln jeweils als richtig und wahr empfinden. So hat wohl jedes Volk, jede Gemeinschaft von Menschen ethische Grundsätze, in denen das Wohl dieser Gemeinschaft im Mittelpunkt steht. Aber WAS das Wohl ist und WIE und auf welche Weise man es bewahrt oder mehrt, wird deutlich unterschiedlich gesehen. Weltweit. Und es ist ein Trugschluss anzunehmen, wir bräuchten nur hinzugehen und…ja was? Erklären, das „wir“ die richtige Wahrnehmung und Handlungsweise haben oder sagen, dass „wir“ es ja nur gut meinen? Oder hoffen wir darauf, dass schon irgendwie alles gut wird, wenn wir nur gut sind? Wobei wiederum zu klären wäre, was das genau dann ist….

    Wir Menschen sind äußerst unterschiedlich. Jeder ist ein Unikat. Und darüber hinaus sind wir auch noch sehr stark von unserer Umwelt geprägt, und zwar so stark, dass es unser gesamtes Denken, Reden und Handeln beeinflusst. Das geht in der Tat so weit, dass wir bestimmte kulturelle Geräusche, wie die Musik sie hervorbringt, als so fremd empfinden, dass wir sie uns nicht anhören können, ohne eine negative Bewertung damit zu verbinden. „Clash of Cultures“…….natürlich gibt es ihn, aber nicht deswegen, weil er unvermeidlich ist, nicht deswegen, weil es Unterschiede zwischen den Kulturen gibt, sondern weil „wir“ nicht wahrhaben können – oder auch wollen – dass es Unterschiede gibt. Wenn wir Menschen es schaffen könnten, diese Unterschiede zu benennen und Einigkeit in einer Gemeinschaft darüber schaffen, wie man mit diesen Unterschieden umgehen will, und zwar zum Schutze aller, die in dieser Gemeinschaft dann leben wollen, und wenn klarer würde, dass sich alles in stetem Fluss befindet, dass aus allem Neues entstehen wird und „Mensch“ davor keine Angst haben muss, dann wären wir einen großen Schritt weiter. Interkulturelle Kommunikation, die ja keine Einbahnstraße ist, wäre hier aber auch überall eine Grundvoraussetzung, um die positiven menschlichen Gemeinsamkeiten zu befördern.

    Rassismus und Chauvinismus, Unterdrückungsmechanismen, Hass, Wutz, Zorn, Dummheit, Beschränktheit…..sind gemeinsame menschliche Eigenschaften, ebenso wie der Wunsch nach Nähe, Geborgenheit und Liebe. Welche davon die Oberhoheit gewinnen, hängt m. E. ganz stark davon ab, wie wir mit unserem jeweiligen Nichtwissen umgehen und wie wir das „andere“ wahrnehmen. Ein Eckpfeiler einer gesunden, weil in und mit sich zufriedenen Gesellschaft, ist daher auch, Eckpfeiler und Dach dieser jeweiligen Gesellschaft zu definieren, diese allen verständlich zu machen und dann darunter zu subsumieren, w as subsumierbar ist. Dazu gehört dann auch, das ggf. hinzukommende „Fremde“ in seinem Wesen, seiner Struktur zu erfassen. Denn ich kann nicht subsumieren oder hinzufügen, was ich nicht kenne…..ich meine, ich kann schon, aber die Ergebnisse gerieten schnell außer Kontrolle.

    Ich kann nur sagen, ich habe täglich mit „anderen“ Kulturkreisen zu tun, mehrmals jährlich organisiere und leite ich Orientierungsseminare für neue StipendiatInnen aus dem orientalischen Raum. Seit Jahren führen wir dazu auch interkulturelle Seminare durch , geleitet von einer dynamischen Dame, einer Kanadierin, die in Deutschland verheiratet ist und sowohl überwiegend taiwanesisch-koreanische und europäische (französische und skandinavische) Wurzeln hat. Sie weiß also ganz genau, wovon sie spricht. Kanada ist, sofern die Neubesiedlung der letzten Jahrhunderte betroffen ist, ein Einwanderungsland. In diesem Land kommen die Neubürger nicht in ein absolut vorgefertigtes soziokulturelles System. Es ist neu und definiert sich immer wieder neu. Aber für die jungen Stipendiaten aus Pakistan, Iran oder Irak, die oft noch nie im Ausland gewesen waren, schon gar nicht im westlichen, verstehen nach ein paar Stunden Vortrag zum ersten Mal, warum in Deutschland kein Kommilitone ihnen böses will, wenn er sie nicht mit offenen Armen empfängt, dass nämlich hier der Fremde auf den Einheimischen zugehen muss, dass Individualität Vorrang vor der Gruppe hat, dass hierarchische Strukturen andere sind als im Heimatland , aber auch, dass das Geben von Hilfen und Informationen und Stipendien nicht aus Dämlichkeit geschieht, sondern weil schon begründete Ziele und Erwartungen daran geknüpft sind. „Wir“ hingegen habe in diesen Vorträgen gelernt, dass es nicht ausreicht zu sagen: Welcome….und dann anzunehmen, alles andere geht von alleine. Geht es nämlich nicht.

    Diese Annahme, dass in multikulturellen Gesellschaften die Menschen auch mehrere Kulturen im Gepäck hätten, kann ich mal so ohne weiteres nicht bestätigen. Das gelingt den allerwenigsten Menschen. Dabei gehe ich nicht soweit, den Zeitbegriff zu definieren. Er mag durchaus letztlich bei allen Menschen auf dieser Welt linear ausgerichtet sein. Aber WIE sie mit der Zeit als solcher umgehen, wird in verschiedenen Gesellschaften höchst unterschiedlich gesehen. Und aus diesen Unterschieden – wie auch aus anderen – erwachsen zwischenmenschliche Probleme. Und die Unfähig- und manchmal Unwilligkeit von Menschen, sich andere sozio-kulturelle Lebensweisen zunächst einmal vorurteilsfrei anzuschauen und sich ggf. auch anzupassen, führt zu weiteren Problemen. Diese werden dann dadurch verstärkt werden, dass die schon am Platze vorhandenen Menschen auch nichts über die Neuen wissen, nicht wirklich, und schon gar nichts über deren Kultur. Dann leben, vielleicht abgeschotteter als zuvor, die „Welten“ nebeneinander her, ohne wirklich etwas voneinander zu wissen – im günstigsten Fall. Im negativen gibt es auf Dauer „Ärger“.

    Erst einmal muss man IMO die Basics voneinander wissen und verstehen, völlig wertfrei…..und dann kann es losgehen mit interkulturellem Verständnis und Verstehen und ggf. auch mit „multikulti“. Aber nur dann.

    Meine Meinung zum Thema…..

  3. […] mir nicht, mich auf mein eigenes kleines Leben zurückzuziehen. Es gibt da schließlich etwas, was uns alle verbindet. Und vielleicht gelingt es ja, sie ansteckend zu machen, diese Utopie, vielleicht ist sie […]

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