Was macht Menschen zu Helden?

9. August 2011 | Von | Kategorie: Wissenschaft

Der Sozialpsychologe Philip Zimbardo gilt als Experte für die dunkle Seite der Psyche – was ihm den Spitznamen „Dr. Evil“ eintrug. Tatsache ist, dass er im Laufe seiner Karriere immer wieder an brisanten Themen wie Gewaltbereitschaft in Gruppen arbeitete. Philip Zimbardo wurde berühmt als der „Vater“ des Stanford-Gefängnisexperiments. Anderseits forscht Zimbardo auch über Schüchternheit und gründete die „Shyness Clinic“ in Kalifornien, die Schüchternheit bei Kindern und Erwachsenen behandelt.

In einem interessanten Interview (Jenseits des Bösen) das er dem Gehirn&GeistRedakteur Steve Ayan gab, stellte der Sozialpsychologe unter anderem sein Projekt „Heroic Imagination“ vor. Auf die Frage, was sich dahinter verbürge, antworte Zimbardo:

Das genaue Gegenteil von dem, was ich bisher getan habe. Bis jetzt war ich „Dr. Evil“, der jene Bedingungen erforschte, unter denen gute Menschen Böses tun. Das führte mich zu der Frage, wie wir solchen Mächten widerstehen können. In jeder Studie gibt es einen Teil von Probanden, die das schaffen, meist liegt er um zehn Prozent. Auch im Milgram-Experiment war das so. Die Frage ist: Was sind das für Leute? Helden sind für mich Menschen, die sich gegen mächtige soziale Kräfte wehren können – doch es gibt praktisch keine Forschung zum Thema Heldentum. Ich glaube, dass jeder ein Held sein kann. Deshalb gründete ich eine Non-Profit-Organisation in San Francisco: Wir haben inzwischen ein Team von rund einem Dutzend Leuten, initiieren Forschungsprojekte und unterstützen Doktoranden auf der ganzen Welt.

Philip Zimbardo geht auch in seinem TED-Vortrag: Why ordinary people do evil … or do good auf die Frage, was Menschen zu Helden macht, ein:

Was zeichnet heldenhaftes Verhalten aus? Laut Zimbardo:

    Heldenhaftes Verhalten:

  1. ist freiwillig
  2. nützt einem oder mehreren anderen Menschen oder der Gemeinschaft als Ganzes
  3. ist mit Risiken für das körperliche Wohl, den sozialen Status oder die Lebensqualität verbunden, und
  4. wird nicht durch die Erwartung von materiellem Gewinn motiviert.

Ein Held handelt, wenn andere tatenlos zusehen oder sogar absichtlich wegsehen.

Heroisches Handeln ist das Gegenstück zum Bösen und es beginnt mit heroischen Vorstellungen.

Zentral wichtig für Helden ist eine moralische Überzeugung, welche sie trotz äußeren Drucks verteidigen. Wichtig ist, dass diese moralischen Überzeugungen Machtmissbrauch entgegen wirken. (Das heißt, dass längst nicht jede Moral zum heroischen Handeln motiviert – im Gegenteil: „Moralapostel“ handeln im Zweifel oft böse, sind allzu oft auf der Seite der Unterdrücker.)

Regelmäßig für es zum Bösen, wenn andere Menschen nur noch als Objekte gesehen werden, als wertlos, als weniger menschlich. Das „Unwort des 20. Jahrhunderts“ ist nicht von Ungefähr „Menschenmaterial“ – die Dehumanisierung, die Entmenschlichung, zugespitzt in einem Wort.
Man wird feindselig, sieht den Anderen nur noch als „etwas“ an, das vernichtet werden wird. Man wird auch gleichgültig gegenüber feindseligen Taten an anderen.

Zimbardo zeigt u. A. auf, welches die „äußeren Umstände“ sind, welche Menschen böse werden lassen: Gruppendruck, Konformismus, Diffusion von Verantwortung (wenn „alle“ verantwortlich sind, fühlt sich „niemand“ verantwortlich), Delegation der Verantwortung (wenn eine Institution „die Verantwortung übernimmt“, wird selbst Befehlen, die als unmoralisch empfunden werden, gehorcht),
Vernachlässigen zukünftiger Effekte des gegenwärtigen Handelns, Entmenschlichung, Anonymität, schlechte Vorbilder, soziale Normen, die böses Handeln unterstützen, Vernachlässigung von Moral überhaupt, usw..

Wie erzieht mich sich und andere zum Helden?
Heroische Vorstellungen gehen dem Heldentum voraus:
man stellt sich vor, wie man anderen helfen wird, wie man sich um sie kümmern wird, und wie man selbst bereit ist, Risiken für sie einzugehen.

Altruismus, Mitgefühl und Empathie (Einfühlungsvermögen) sind die Voraussetzungen für heldenhaftes Handeln. Heroische Vorstellungen sensibilisieren einen auch dafür, wo und wie man konkret anderen Menschen in Not helfen kann.
Wichtig ist, dass man mit kleinen heroischen Handlungen, die einem etwas Mut und Risikobereitschaft abverlangen, im Alltag übt, bis man einmal in eine Situation kommt, wo man sich im Großen gegen das Böse stellen kann und zum Helden wird.

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2 Kommentare
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  1. Wichtige Erkenntnisse! Danke!

  2. Den Dank gebe ich gleich zurück, denn das hier brachte mich auf die Idee, mal etwas über Zimbardo zu schreiben.

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