Von wegen „Prügel haben mir auch nicht geschadet“

18. April 2010 | Von | Kategorie: Gjallarhorn Weblog

Norbert Walter, bis vor Kurzem Chefvolkswirt der Deutschen Bank und immer noch Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken, verteidigt Bischof Mixa und das Prügeln von Kindern – Nicht geschadet? (telepolis).
Walter ist einer der wenigen, die dem Augsburger Bischof Mixa nach seinem „Watschengeständnis“ öffentlich beisprangen. Mit einem „Argument“, das Anhänger der „Schwarzen Pädagogik“ seit eh und je hervorbringen: Er, so Walter, sei von seiner Mutter ebenfalls geprügelt worden, und ihm habe das schließlich auch nicht geschadet. Außerdem bezeichnete das Mitglied im ZK der deutschen Katholiken die Kritiker Mixas als „fundamentalistische Aufklärer“: ZdK-Mitglied Walter verteidigt Bischof Mixa: „Prügel haben mir auch nicht geschadet“ (D Radio Kultur).

Schaden die aggressiven Erziehungsmethoden, wie sie Walters Mutter oder der seinerzeitige Stadtpfarrer Mixa anwendeten, wirklich nicht?
„Schwarze Pädagogik“, Erziehung mit Gewalt und Einschüchterung, ist eine eine ziemlich sichere Methode, Menschen zu autoritätshörigen „Gefühlskrüppeln“ zu machen – mit Folgeschäden auch für die nächste und übernächste Generation. Besonders intelligenztötend wirkt Zurichtungs-Pägagogik, wenn sie mit körperlicher Gewalt kombiniert ist.
Der Spruch „Was ist schon eine Ohrfeige? – Es hat uns doch auch nicht geschadet“ ist nachweislich falsch. Es hat geschadet – das Geschlagenwerden führt statistisch signifikant zu einer messbar geringeren Intelligenz: Prügelstrafe macht Kinder dumm (pharmacon.net).

Mehr noch: der „autoritäre Erziehungsstil“ und die Kinderdressur sind, wie Katharina Rutschky in „Schwarze Pädagogik“ nachwies, nicht etwa irgend eine dumme Tradition, sondern Absicht. Patriarchat, autoritäre Gesellschaftsform, Unterdrücken selbstständiger Gedanken und „schwarze Pädagogik“ gehören zusammen. „Schwarze Pädagogik“ ist eine „wirksame“ Methode zum „Untertanenmachen“ – zum Erzeugen autoritärer Persönlichkeiten, die nach „unten“ treten, und nach „oben“ buckeln – bis sie, wie Walter und Mixa, so weit „oben“ angekommen sind, dass sie meinen, auf Nichts und Niemanden mehr Rücksicht nehmen zu brauchen.

Hinter dem „Handausrutschen“ einer Mutter und den Faustschlägen eines Pfarrers, wie auch hinter dem durch Angstmache und Disziplinierung geprägten Erziehungsstil (nicht nur) katholischer Internate, steckt keine persönliche Bosheit, sondern System. Nicht „böse Einzelfälle“, sondern Strukturen. Die, weil sie sich „bewährt“ haben, auch weitergeben werden.
Es reicht nicht aus, die „schwarze Pädogogik“ abzulehnen und mit dem Finger auf prügelnde Geistliche zu zeigen. Notwendig ist aktives Gegensteuern. Ohne bessere Erziehungsalternativen und ohne eine offene, demokratische Gesellschaft als Umgebung kann die „schwarze Pädogogik“ nicht überwunden werden!

Ergänzung:
Janosch in den Lübecker Nachrichten

(…)
LN: Zum Beispiel über die große Zahl von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche. Sie haben ja schon vor Jahrzehnten in Ihren Büchern detailliert beschrieben, wie die katholische Erziehung junge Menschen kaputtmachen kann.

Janosch: Aber ich bin nicht missbraucht worden.

LN: Seelisch schon.

Janosch: Ja, das ist eigentlich noch schlimmer als körperlich. Aber darüber reden ja die Leute nicht. Alle Katholiken werden seelisch missbraucht. Aber die meisten sind zu dumm, um das zu kapieren. Ich finde es ganz schlimm, dass man gezwungen wird, etwas zu glauben, was eigentlich blöde ist. Es ist doch blöde, wenn Gott zwei Menschen erschafft und dann alle anderen dafür bestraft für das, was diese zwei getan haben. Das ist Sippenhaft.

LN: Warum sprechen viele Betroffene erst jetzt, nach so vielen Jahren, über den Missbrauch?

Janosch: Die sagen es ja nicht. Was meinen Sie, was los wäre, wenn die sagen würden, wie es wirklich ist. Im Krieg habe ich durchs Fenster gesehen, wie russische Gefangene vorbeigetrieben wurden. Zerlumpt, zerfetzt, barfuß im Winter. Wir saßen drin zusammen mit dem Pfarrer, und der sagte: Gott weiß, was er tut, und wir sollen uns nicht einmischen in das, wofür er sich entscheidet. (…)

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4 Kommentare
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  1. […] Dieser Eintrag wurde auf Twitter von MartinM, erziehung erwähnt. erziehung sagte: Von wegen “Prügel haben mir auch nicht geschadet” – Asatru zum …: “Schwarze Pädagogik”, Erziehung mit Gewalt und… http://bit.ly/bO0Nv9 […]

  2. Interessanter Beitrag, aber dennoch sehe zwischen dem “Handausrutschen” einer Mutter und den Schlägen eines Pfarrers (wahlweise auch Lehrer, Trainer, Betreuer, usw.) einen signifikanten Unterschied. Ersteres passiert nämlich meistens im Affekt und entsteht aus der Überforderung eine Situation anders / besser zu meistern, während man bei letzterem möglicherweise schon von einer Strategie ausgehen muß…

  3. Stimmt, eine Affekttat (die meiner Ansicht nach aber oft unterbliebe, wenn die überforderte Mutter einen „Klaps“ nicht für „irgendwie normal“ halten würden) und systematische „Züchtigungen“ sind nicht gleichzusetzen. Allerdings ist der Affekt oft nur Ausrede für einen gewaltsamen Erziehungsstil, wie ja auch im Fall Mixa. Ehemalige Zöglinge gaben an, dass sie sich über einen Bock legen mussten und von Mixa 35 Schläge mit dem Teppichklopfer empfangen hatten. Das ist schon eine andere Kategorie als „die eine oder andere Watsch’n“.

  4. Das Argument „da ist mir die Hand ausgerutscht“ ist blanker Unsinn! Würde der betreffenden Mutter auch ihrem Chef oder ihrer Chefin gegenüber „die Hand ausrutschen“?
    Ohrfeigen und Prügel in der „Erzeihung“ sind nichts weiter als ungebremstes Ausleben von Aggressionen gegenüber Schwächeren. Zutiefst verachtenswert und keineswegs „Privatsache“!
    Deshalb auch in der U-Bahn oder auf dem Spielplatz: Null Toleranz gegenüber ohrfeigenden und sonstwie Gewalt anwendenen Eltern! Wenn sie das gleiche mit Erwachsenen täten, wäre in Minutenschnelle die Polizei da!
    Prügel-Erziehung fällt m.E. unter „häusliche Gewalt“ und sollte mit empfindlichen Strafen geahndet werden!

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