Symbolverbote – eine mögliche Erklärung

28. März 2010 | Von | Kategorie: Gjallarhorn Weblog

Schon lange bevor ich für meinen Artikel über Verbotene und suspekte heidnische Symbole recherchierte, fiel mir auf, wie sehr die deutsche Rechtsprechung zum § 86 a StGB (Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) und auch die Verbotspraxis von Behörden und Institutionen einschließlich der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) und der Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) gegenüber alter und neuer Nazi-Propaganda auf leicht erkennbare Symbole fixiert ist.

Das lässt sich zum Beispiel am Beschluss des Bundesgerichtshof vom 1. Oktober 2008, das Keltenkreuz in seine stilisierten Form zu verbieten, ablesen. Der Grund: Neonazis waren auf die „tolle“ Idee gekommen, dieses Symbol als Ersatz fürs Hakenkreuz zu verwenden.

Völlig ins Absurde kippte diese Praxis, als 2005 das Amtsgerichts Tübingen ein umstrittenes Urteil fällte: Weil er einen Button mit einem durchgestrichenen Hakenkreuz an seinem Rucksack hatte, erhielt ein Student einen Strafbefehl über 200 Euro. Er soll Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verwendet haben. Auch der Staatsanwalt bestritt nicht, dass der Student politisch korrekte Motive hatte – er wollte gegen Nazis demonstrieren. Der Staatsanwalt sah dennoch einem Verstoß gegen § 86a, da seiner Auffassung nach das Entfernen der Nazi-Symbolik aus der Öffentlichkeit vorrangig ist. (Er führte z. B. japanische Touristen an, die angesichts eines durchgestrichen Hakenkreuzes irritiert sein könnten.)
Zwar gibt es inzwischen ein höchstrichterliches Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH), dass die Verwendung durchgestrichener Hakenkreuze nicht strafbar ist, wenn die Distanzierung zum Nationalsozialismus eindeutig ist, aber an der „Symbolgläubigkeit“ der amtlichen deutschen Nazibekämpfer ändert das wenig.

Die Antifa ist, was Symbole wie den Thorshammer angeht, mittlerweile deutlich differenzierter als „amtliche“ Stellen. Allerdings kommt auch so etwas in der radikal linken Szene vor: Gegen Germanen.

Woher kommt diese Einstellung, selbst beim Logo der Altrocker von „KISS“ unnachsichtig zu sein – während zum Beispiel rechtsextreme Tatmotive bei Gewalttaten immer wieder von der Polizei ausgeblendet werden? (Z. B. Erneuter Nazi-Überfall am Rastplatz Teufelstal.)

Eine mögliche Erklärung könnte sich aus dem Umgang mit sog. Vorbehaltsfilmen ergeben.

Hans Schmid schreibt in einem Artikel auf „telepolis“ Meister der Elastizität über den (widersprüchlichen und schwer durchaubaren) Umgang der FSK mit Filmen aus der Nazizeit, dass die Zensoren der Alliierten Besatzungsbehörden ziemlich ratlos agierten. Sie mussten sich fragen, wie es zu so ungeheuerlichen Verbrechen wie der industriellen Ermordung von Millionen Juden gekommen war. Das führte laut Schmid notwendigerweise zu einem Herumstochern im Nebel.
Es war und ist nicht einfach, Nazi-Propaganda zu erkennen und ihre Gefährlichkeit zu beurteilen, vor allem, wenn man wenig Zeit hat und sich mit der Sprache und Kultur nicht wirklich auskennt. Also konzentrierte man sich (notgedrungen) auf ein sehr grobes Raster, auf Merkmale, die auch bei einer oberflächlichen Überprüfung festgestellt werden konnten.
Dabei wären sie auf Fremdes gestoßen. Was nicht vertraut ist und nicht verstanden wird, wirkt bedrohlich.
Im besetzten Japan entwickelten die US-Zensoren eine regelrechte Schwertphobie. Aus ihrer, von keinen Kenntnissen der japanischen Kultur und Geschichte getrübten Sicht war das Schwert (im Gegensatz zum „demokratischen“ Revolver) ein Symbol des Feudalismus und der Rückständigkeit.

Die Schwertphobie der in Japan tätigen US-Zensoren ist symptomatisch und hilft auch zu verstehen, was in Deutschland geschah. Offenbar wurden die Filme nach gut isolierbaren, leicht zu entdeckenden und primär visuellen Indizien für eine mögliche Gefährlichkeit abgesucht: Schwerter, Duelle, Uniformen, Kriegshandlungen, rassistische Zerrbilder, faschistische Symbole, Hitlerbilder. Das konnte zur Not jemand erledigen, der kein Deutsch sprach oder das Verfahren auch mal abkürzte, indem er die eine oder andere Komödie am Schneidetisch schnell durchlaufen ließ. Je subtiler (und damit wirkungsvoller?) die Propaganda war, desto leichter rutschte sie durch.

Schmid ist der Ansicht, dass man den Umgang mit dem NS-Film völlig neu hätte überdenken müssen, und damit auch die von der FSK übernommene Verbotsliste. Daran schien kein Interesse bestanden zu haben. Laut Schmid war nichts gewünscht, das beim möglichst schnellen Vergessen störte. Da sich das Problem nicht einfach zu den Akten legen ließ, hätte man sich entschieden, ganz einfach die Verbotsliste der Alliierten und deren notgedrungen groben und aus den Zeitumständen erklärbar verzerrten Kriterienkatalog zu übernehmen. Und weil man in Deutschland keine Regelung wieder loswürde, wenn sie erst einmal da sei, blieb es dabei.

Vielleicht ist es bei Runen und keltischen und germanischen Symbolen ja ähnlich wie bei den alten Filmen?

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