Slawenfeindlichkeit – bei den Völkischen immer noch Programm

4. April 2012 | Von | Kategorie: Gjallarhorn Weblog

Der Rassismus und Kulturrassismus der Völkischen innerhalb und außerhalb der NPD wird gerne als „Ausländerfeindlichkeit“ oder „Fremdenhass“ umschrieben bzw. verniedlicht.
Nun kann man bekanntlich ohne weiteres Deutscher von Geburt, ja sogar ohne Migrationshintergrund sein – und trotzdem von den Völkischen ausgegrenzt, diskriminiert, als „volksfremd“ beschimpft und tätlich angegriffen werden. Deutsche Juden oder deutsche Sinti können davon ein Lied singen!
Weniger bekannt ist, dass der völkische Kulturrassismus auch „echte Ureinwohner“, darunter gerade die besonders heimattreuen und traditionsbewussten, trifft. Nämlich die Sorben. Allerdings ist die „deutschvölkische“ Sorbenfeindlichkeit außerhalb Sachsens kaum ein Thema. In erster Linie ist das deshalb so, weil im Westen Deutschlands das slawische Volk der Sorben kaum wahrgenommen wird – trotz der bekannten sorbischen Osterbräuche und der Tatsache, dass der derzeitige Ministerpräsident Sachsens, Stanislaw Tillich, Sorbe ist.

Es war der NPD-Bundespräsidentenkandidat von der traurigen Gestalt, Olaf Rose, der mit seinen verbalen Angriffen auf Stanislav Tillich den völkischen Antislawismus in aller Hässlichlichkeit auf Tapet brachte:

Es ist unsäglich, wenn uns ein Sorbe, der sich gerne als Sachse ausgibt und hier Ministerpräsident ist, als braunen Dreck bezeichnen kann.

(Auf der Nazi-Kundgebung zum Jahrestag der Bombadierung Dresdens am 13. Februar 2012, zitiert nach NRW rechtsaußen.)
Die parteitaktischen Gründe des promovierten Historikers Rose liegen auf der Hand: Tillich, der sich auf seiner persönlichen Website „der Sachse“ nennt, punktet gerade bei jenen heimatverbundenen, traditionsbewussten und konservativen Menschen, die die NPD gerne zu ihrem Klientel zählen würde.
Die Gründe der Sorbenfeindschaft der Völkischen liegen allerdings im deutschnationalistischen Antislawismus. Seine Wurzeln gehen zwar bis in die deutsche Siedlungszeit im späten Mittelalter zurück, die antislawische Ideologie erhielt ihre chauvinistische Ausformung aber erst im 19. Jahrhundert. Diese Ideologie geht davon aus, dass „die Deutschen“ (im völkischer Lesart „die Germanen“) im Osten im ständigen „Grenzkampf“ mit den Slawen lägen. In erster Linie zielte das zwar auf Russen, Polen oder Tschechen ab, aber die beiden slawischen Sprachinseln in der Ober- und der Niederlausitz waren nach deutschnationalem Verständnis „Stacheln im Fleische des deutschen Volkskörpers“, die „natürliche Loyalität“ der Sorben wurde bei „ihren Stammesgenossen im Osten“ gesehen.

Hinzu kam der bismarcksche Kulturkampf gegen die Einflüsse der katholischen Kirche und für eine vereinheitlichte deutsche Staatsnation mit einheitlicher Sprache. Die Sorben, als sprachliche Minderheit und überwiegend Katholiken, hatten darunter besonders zu leiden. Reichskanzler Otto von Bismarck leitete im preußischen Teil der Oberlausitz, wo es 1875 zu einem generellen Verbot der sorbischen Sprache in den Schulen kam und indirekt im Deutschen Reich ganz allgemein, eine Phase antisorbischen Repression ein, die auf eine Zwangsgermanisierung hinaus lief.

Die NSDAP versuchte nach ihren Machtübernahme zunächst die Sorben für sich zu gewinnen – die Rassenideologie der Nazis gab das durchaus her, zum Teil wurden die (West-)Slaven als so etwas wie ein „verlorener Germanenstamm“ dargestellt. Das änderte sich, nachdem klar wurde, dass die sorbischen Organisationen unter dem Domowina-Vorsitzenden Pawoł Nedo sich dem widersetzten. Ab 1937 wurden der Gebrauch des Sorbischen in der Öffentlichkeit und alle sorbischen Vereinigungen verboten. In Nazideutschland wurde nun versucht, die sorbische Minderheit „einzudeutschen“ – was weit über die „Germanisierung im alten Sinne“ hinaus ging. Sorben mussten z. B. ihre traditionellen Namen aufgeben und wurden zum Deutschsprechen verpflichtet. Zwar wurden die Sorben in Nazideutschland nicht kollektiv verfolgt, aber sie wurden diskriminiert, und ihre politischen Vertreter sowie die sorbische Intelligenz mundtot gemacht, verfolgt, in Konzentrationslagern inhaftiert und zum Teil auch ermordet (u. a. Maria Grollmuß und Alois Andritzki).

Zurück in die Gegenwart. Die Sorbenfeindschaft unkultivierter „Kulturdeutscher“ ist in der Lausitz traurige Realität, obwohl die offizielle Statistik des Landes Sachsen nur wenige kulturrassistische Angriffe gegen Sorben verzeichnet. (Aber solche Statistiken sind bekanntermaßen oft schönfärberisch.)
Immer wieder werden die zweisprachigen Ortsschilder in der Lausitz demoliert. Im Siedlungsgebiet der katholischen Sorben werden immer wieder Kruzifixe mit sorbischer Inschrift abgerissen oder mutwillig beschädigt. Sorbischsprecher erfahren immer wieder Anfeindungen. Es gibt auch eine strukturelle Diskriminierung gegenüber Sorbischsprechern, z. B. am Arbeitsplatz. Und wie könnte es anders sein: auch in Fußballstadien wird Sorbenfeindlichkeit deutlich. Die Fans von Energie Cottbus oder Budissa Bautzen werden von ihren Gegnern, meist FSV-Zwickau-, Dynamo-Dresden-, Hansa-Rostock- oder Hertha-BSC-Fans, als „Sorbenpack“ beschimpft.

Wegen dieser verbreiteten Sorbenfeindlichkeit ist es für die NPD parteitaktisch nützlich, auf eventuelle sorbische Wähler zu verzichten, und statt dessen, wie die alten Nazis nach 1937, auf die völkische, antislawische, Karte zu setzen. Allerdings mit einem nicht ungeschickten Dreh: die NPD bestreitet, dass es so etwas wie ein „sorbisches Volk“ überhaupt noch gibt – was es möglich macht, sorbische Ansprüche als „absurd“ abzuwehren (und indirekt sorbischen Politikern eine antinationale Gesinnung als „Motiv“ ihres Sorbentums zu unterstellen).
In der „Klarstellung der NPD-Position zu den Sorben und Wenden“ heißt es

[…]Worauf jetzt der Anspruch z. B. eines Herrn Kosel [Abgeordneter der „Linken“ in Sachsen M.M] beruht, die Sorben als ein eigenes Volk zu bezeichnen, bleibt inhaltlich schleierhaft. Aufgrund des weit mehr als 1200 Jahre währenden Aufenthalts der Sorben im Gebiet des heutigen Deutschlands, der damit logisch einhergehenden Vermischung mit den ebenfalls hier siedelnden germanischen Stämmen und der vollständigen Assimilation kann nicht mehr von der Existenz des sorbischen Volkes ausgegangen werden, sondern lediglich von einem traditionell stark verhafteten und kulturell sehr eigenständigen deutschen Volksbestandteil.[…]

Anders gesagt: „Die Germanisierung ist längst vollzogen, findet euch gefälligst damit ab, und kommt uns nicht mit Sonderinteressen!“
Es sind ja die (angeblichen) Privilegien der Sorben, die (angeblich) in der DDR eine „verhätschelte Minderheit“ waren, mit der deutschnationale Slawenhasser ihre Haltung begründen!

Nebenbei: die „Klarstellung der NPD-Position zu den Sorben und Wenden“ ist ein Musterbeispiel für die heutige NPD-Propaganda: 4 Teile Fakten, untergemischt ein Teil wilde Behauptungen, das Ganze gewürzt mit reichlich NS-Verharmlosung.
Aber immerhin macht die NPD aus ihrem Rassismus keinen Hehl:

[…]Ein Mensch, dem heutzutage ein Dokument in die Tasche gesteckt wird, auf dem festgestellt wird, daß der Betreffende zum Personal der Bundesrepublik Deutschland gehört, wird hingegen nach unserem nationalistischen Dafürhalten niemals Deutscher werden. Auch ein in seiner Sinnhaftigkeit höchst zweifelhafter Einbürgerungstest macht aus einem Vorderasiaten oder Afrikaner nicht von heut auf morgen einen Deutschen. Die größten Gefahren für das Bestehen der regionaltypischen, kulturellen Besonderheiten in unserer Heimat sind die Globalisierung und die damit einhergehende schleichende Überfremdung unseres Landes mit Menschen fremder Kontinente.[…]

Danke für die Klarstellung! Wer trotzdem noch NPD wählt, ist kein „armes Opfer der Umstände“, sondern Nazi. Wer die braunen Giddels und ihr Umfeld für harmlos hält, verdient es, in Nazi-Foren „Toleranztrottel“ genannt zu werden.

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Ein Kommentar
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  1. Leider immer wieder und immer noch: Übergriffe auf Sorben und sorbisches Brauchtum 🙁

    In Sachsen gab es 2013 und 2014 insgesamt 15 Übergriffe auf Sorben sowie auf sorbisches Brauchtum. Das geht aus einer am Montag, dem 29.12.2014 veröffentlichten Antwort des sächsischen Innenministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Fraktion hervor. Für die Anfrage wurden Einträge im polizeilichen Auskunftssystem ausgewertet, hieß es. In der Liste finden sich neben dem Besprühen von sorbischen Ortsschildern auch mehrere Fälle von Bedrohungen und Körperverletzung. So wurden zuletzt in Ralbitz und Ostro (Landkreis Bautzen) vor allem Jugendliche vermutlich von Rechtsextremen bedroht. Im April sprühten Unbekannte in Bautzen „Sorben raus“ an eine Brücke.

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