Medienstudie: „Moral kommt in der Wirtschaft nicht vor“

27. Februar 2013 | Von | Kategorie: Wissenschaft

Eine passende Ergänzung zur Modedroge Moralin und eine Bestätigung dessen, was ich in diesem Artikel ausführte, gibt eine Journalismusstudie der MHMK:
(Quelle: Pressemeldung der MHMK).
Journalismus ist nicht unmoralisch und die Medien sind keine moralfreie Zone. Allerdings kommt Moral in journalistischen Angeboten nicht etwa im Politik- oder im Wirtschaftsressort vor, sondern vor allem im Sportteil und auf den Klatschseiten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Prof. Dr. Hektor Haarkötter, Leiter des Masterstudiengangs Journalistik an der MHMK, Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation, in München.
In einer Big Data-Analyse hat der Kommunikationswissenschaftler Hektor Haarkötter journalistische Medien wie die Süddeutsche Zeitung, Bild und Bunte untersucht. Mehrere hunderttausend Textbeispiele konnten dabei quantitativ ausgewertet werden. Gefragt wurde bei dieser großangelegten Studie danach, wo und wie häufig das Wortfeld „Moral“ in journalistischen Texten vorkommt. Die Ergebnisse wurden in der vergangenen Woche auf einer Tagung der Fachgruppe Medienethik in der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikation (DGPuK) in München vorgestellt. Danach kommt der Begriff „Moral“ in über 200.000 Texten auf sueddeutsche.de genau 5.552-mal vor. In den mehr als 800.000 Texten auf bild.de findet „Moral“ sich 2.152-mal. Statistisch auffällig ist dabei, wie sich die Verwendung des Moral-Begriffs auf die verschiedenen Ressorts verteilt. Spitzenreiter ist das Sportressort. „Es vergeht kein Bundesliga-Wochenende“, so erklärt Journalistikprofessor Haarkötter, „an dem nicht von der ‚Moral‘ einzelner Spieler oder ganzer Mannschaften und den berühmten ‚deutschen Tugenden‘ geschrieben wird“. Auch im Politikteil kommt „Moral“ vor. Auffällig daran ist allerdings, so Haarkötter, dass selbst in einem Qualitätsmedium wie der Süddeutschen Moral fast immer als feste Größe oder als Schicksalsschlag daherkomme. Schwierige Begründungszusammenhänge oder abweichende moralische Standpunkte würden von den Journalisten praktisch nie erörtert. „Dabei zeichnen sich moralische Konflikte ja gerade dadurch aus“, so der Kommunikationswissenschaftler Haarkötter, „dass unterschiedliche Positionen und Wertvorstellungen aufeinander treffen“.

Nacktheit, Sex und die Moral

In Boulevardmedien wie der Bildzeitung oder dem Magazin Bunte wird das Wortfeld „Moral“ regelmäßig in solchen Artikeln thematisiert, die um Sexualität oder Nacktheit kreisen. „Dabei stellen Fragen der Sexualität in aller Regel gar kein moralisches Problem dar“, erläutert Haarkötter. Hier würde der Begriff Moral missbraucht, um künstlich Problemfelder zu konstruieren und auf diese Weise überhaupt erst einen Berichterstattungsanlass künstlich zu erzeugen.

Auffällig ist auch, wo Moral in journalistischen Texten gerade nicht vorkommt. In der Studie wurden ausdrücklich auch solche Texte untersucht, die um Wissenschafts- und Forschungsthemen kreisten. In diesen Themengebieten wurde im Vorfeld am ehesten ein hohes Moral-Vorkommen erwartet, weil hier die moralischen Konflikte spielen, mit denen sich beispielsweise der Deutsche Ethikrat befasst. Es fanden sich allerdings in der Süddeutschen Zeitung insgesamt nur 19 Belegstellen, in der Bildzeitung sogar nur zwei. Unterrepräsentiert ist der Begriff Moral auch im Wirtschaftsteil. Nur acht Prozent der Artikel, in denen Moral thematisiert wird, kommen aus diesem Ressort. „Moral kommt in der Wirtschaft nicht vor“, urteilt Haarkötter. Und das, obwohl das Wirtschaftsressort in der Süddeutschen Zeitung ein eigenes umfangreiches und tägliches Buch ausmache und darum einen erheblichen Anteil am Textkorpus der Untersuchung hatte.

„Rechnet man die Ergebnisse zusammen“, so Haarkötter im Fazit zu seiner Studie, „so stellt man fest, dass das Wortfeld „Moral“ ganz überwiegend im unterhaltsamen und boulevardesken Teil journalistischer Berichterstattung thematisiert wird“.

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