Des „listigen Guidos“ Erben (4) – Ariosophen heute: Unterwandern und Verbünden

27. Oktober 2008 | Von | Kategorie: Odins Auge Artikel

In den 1980er und 1990er Jahren gründete der Armanenorden eine große Zahl Satellitenorganisationen, vor allem in der „Heidenszene“. Viele neuheidnische Organisationen, die oft ebenfalls mit Einweihungsgraden operieren, sind immer noch mit dem Armanenorden organisatorisch verbunden oder anderweitig verfilzt.

Eine ideologisch „verfilzte“ Organisation ist beispielsweise die „Artgemeinschaft“, die der als Strafverteidiger von Neonazis bekannt gewordene heutige NPD-Funktionär Jürgen Rieger leitet. Nach außen hin, z. B. auf der Homepage „Asatru.de“, vertritt die „Artgemeinschaft“ allerdings eine historisch wesentlich glaubwürdigere Version des germanischen „Artglaubens“ als der AO selber.
Somit wirkt er als Vorfeld- und Tarnorganisation der rechtsextremen Szene auch für ernsthaft an altgermanischer Religion und Lebensweise Interessierte attraktiv. Der unkundige Leser merkt allenfalls, dass die „Artgemeinschaft“ „irgendwie rechts“ ist.
Ganz nebenbei gibt es über den „Artglauben“ noch Übergänge/Umarmungsversuche in Richtung zur rechtsintellektuellen, nicht-neonazistischen, „Neuen Rechten“.
Eine direkt mit den Armanen verfilzte Germanen-Gruppe ist der „Bund der Goden e.V.“.

Wegen des „Alleinvertretungsanspruchs“ der Armanen ist es nur folgerichtig, dass der AO sich berufen fühlt, alle heidnischen Gruppen unter seine Fuchtel zu bringen. Über die von Sigrun Schleifner ins Leben gerufene „Arbeitsgemeinschaft naturreligiöser Stammesverbände Europas“ (ANSE) hält der AO Kontakt zu anderen, meist „unpolitischen“, heidnischen Gruppierungen. Nicht wenige Autoren, so Schnurbein in „Religion als Kulturkritik“ sprechen sogar von einer Vorherrschaft der Armanen in der deutschen Heidenszene, einem „Armanenblock“. Selbst einige Hexen-Coven der allgemein als keineswegs als „rechts“ einzuordnenden Wicca wurden armanisch vereinnahmt. Allerdings wäre es übertrieben, heute noch von einer „armanisch dominierten“ Heidenszene auszugehen. Was nicht heißen soll, dass ariosophisches Gedankengut damit aus der Welt wäre oder der A.O. zur harmlosen, weil unbedeutenden, „völkischen Sekte“ degeneriert wäre.

Da die Armanen mittlerweile einen üblen Ruf genießen, verschleiern „Vorfeldorganisationen“ im Allgemeinen ihre „Armanen-Connection“. Durch ihr rassistisch-esoterisches Weltbild verraten sie sich in aller Regel früher oder später doch. (Ein trauriges Beispiel für die kritiklose Übernahme ariosophischer Lehren zeigte z.B. der Yggdrasil Kreis bei der Übersetzung seines eigenen Namens.)
Es zeigt sich, dass gerade die unpolitischen Gruppen von den rechtsextrem ausgerichteten, wie dem Armanen-Orden, instrumentalisiert werden können: Politische Naivität ist gefährlich!

Die ANSE soll Mitglied im Word Congress of Ethnic Religions (WCER) sein. Nach allerdings unbestätigten Informationen soll das der WCER-Vorsitzende Jonas Trinkunas ihnen schriftlich in einem Brief bestätigt haben. Ein Indiz dafür ist, dass die WCER-Konferenz 2008 im Schloss Rothenhorn im Dorf Jędrzychowice (früher Heyersdorf) bei Szlichtyngowa (Schlichtingsheim) in Westpolen (vor 1945: Schlesien) stattfand. Rothenhorn ist der Sitz der ariosophisch geprägten ANSE von Sigrun Freifrau von Schlichting. Ein in seiner Naivität erschreckender Beitrag, der zeigt, wie sehr sich Frau von Schlichting selbst bei Polen in der Umgebung eingeschmeichelt hat: Das „Feenschloss Rothenhorn der Frfr. Sigrun v. Schlichting. (Übersetzung aus dem Polnischen) Nebenbei zeigt der Artikel, wie flexibel die religiöse Auffassung der guten Frau ist:

Die Baronin Sigrun v. Schlichting empfindet sich als sehr religiös, weil sie viel betet und das Göttliche oft in ihren Äußerungen erwähnt. Sie ist sich sicher, dass ihr GOTT hilft bei ihrer fast übermenschlichen Aufgabe des Wiederaufbaus von Schloss Rothenhorn – Czerwony Róg. Sie glaubt an GOTT, auch wenn sie sich nicht zu einer bestimmten Konfession bekennt.

Ich wette, manchen der zumeist katholischen polnischen Bewohnern Jędrzychowices gingen die Augen über, wenn sie wüssten, welche Religion die „Baronin“ wirklich praktiziert. (Und dass nicht wenige, angesichts der Tatsache, dass die mörderische „Lebensraum“-Politik der Nazis und die angestrebte Vernichtung Polens nicht zuletzt auf ariosophischem Gedankengut beruhte, das kalte Grausen angesichts der ein Schloss renovierenden „Wohltäterin“ überfallen würde.)

Dass die „Heidenszene“, nicht nur, aber auch wegen dem A.O. eine deutliche Schlagseite nach „rechtsaußen“ hat, liefert all jenen wohlfeile Argumente, die „heidnisch“ und vor allem „germanisch“ pauschal mit „rechtsradikal“ gleichsetzen. Diese kirchlichen, linken oder sonstigen „Hexenjäger“ helfen mit ihren Vorurteilen indirekt und unbeabsichtigt den eigentlich von ihnen bekämpften Armanen und anderen ariosophische beeinflussten Gruppen:

Wer sich verfolgt wähnt oder diskriminiert wird, sucht Schutz bei einer „starken“ Gemeinschaft – im Falle der Heiden bot sich der „Armanenblock“ – vielleicht besser: das „armanische Umfeld“ – bereitwillig an. Mit jedem Menschen, der bei „völkischen“ Heidengruppen unterkriecht, wächst deren Bedeutung. Die Freundlichkeit, die Angehörige des „Blocks“ anderen Heiden erweisen, solange diese nur keine antifaschistische Haltung vertreten, ist also Methode.

Auch außerhalb der Heidenszene tragen die Armanen gerne ihre „Unterwanderschuhe“. Auf lokale Ebene versuchte der AO selbst mit eher linken Gruppen Bündnisse zu schließen – natürlich nicht ohne den „Verbündeten“ ganzen Fuhren von Sand über die wahren Zusammenhänge in die Augen zu streuen. So versuchten armanisch Gesonnene in den 1980er Jahren den Berliner Landesverband der „Grünen“ zu unterwandern.
Einiges deutet darauf hin, dass ariosophisch beeinflusstes Denken gerade bei den „Ökoromantikern“ unter den Natur- und Umweltschützern und bei den Anti-Globalisten und Regionalisten Fuß fassen konnte – trotz deren in der Regel eher linken Weltsicht. Dabei erleichtert es den rechten Unterwanderern die Arbeit, dass die Esoterik-Szene – vor allem die inzwischen abgeflaute „New Age“-Welle – deutlich von theosophischem Gedankengut mitgeprägt wurde. Eine Geistesverwandschaft zum ariosophischen Denken ist damit gegeben.

Das andere potentielle Einfallstor ariosophischen Denkens in die „Öko-Ecke“ könnten die Anthroposophen sein, die wesentliche Kernsätze der theosophischen Weltsicht – wie die „Wurzelrassenlehre“, der Glaube an eine globalen Urreligion und das hierarchische Weltbild – in abgeschwächter Form enthalten. (Einige Kritiker sprechen auch von „Theosophie light“.) Allerdings sollten die Anthroposophen, die als Vorkämpfer der ganzheitlichen Medizin und Erziehung und vor allem des ökologischen Landbaus („biologisch-dynamische Landwirtschaft“) mit Recht einen guten Ruf beim ökologisch und „alternativ“ gesonnenen Teil der Bevölkerung genießen, nicht als potentielle „Fünfte Kolonne“ der Ariosophie verdächtigt werden. Es wäre aber zu begrüßen, wenn die Anthroposophen mit ihrem problematischen geistigen Erbe deutlich kritischer umgehen würden. Das gilt natürlich auch für die heute noch aktiven theosophischen Vereinigungen.

Martin Marheinecke,
Erweiterte, aktualisierte und korrigierte Fassung: Oktober 2008
Ursprüngliche Fassung: Dezember 2000

Weiterführende Literatur:
Hermann Gilbhard: Die Thule-Gesellschaft – Vom okkulten Mummenschanz zum Hakenkreuz Kiessing Verlag, München, 1994
Nils Grübel und Stefan Rademacher: Religionen in Berlin. Ein Handbuch. Weissensee Verlag, Berlin 2003
Daniel Junker: Gott in uns! Die Germanische Glaubens Gemeinschaft. Verlag Daniel Junker, Hamburg, 2002
Richard Herzinger / Hannes Stein: Endzeit-Propheten oder Die Offensive der Antiwestler, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg, 1995
Hans-Otto Wiebus: Lexikon der Jugendkulte, Heyne, München 1997
Franziska Hundseder: Wotans Jünger – Neuheidnische Gruppen zwischen Esoterik und Rechtsradikalismus, Heyne, München 1998.
Rüdiger Sünner: Schwarze Sonne – Entfesselung und Mißbrauch der Mythen in Nationalsozialismus und rechter Esoterik, Herder, Freiburg-Basel-Wien, 1999.

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