Keusche, drogenfreie Neonazis

26. November 2008 | Von | Kategorie: Gjallarhorn Weblog

Die „Jungle World“ berichtet über Straigt Edge in der Neonazi-Szene:
Eine Limo auf den Endsieg.

Sturzbetrunkene Skinheads seien nicht mehr zeitgemäß. Mittlerweile hätten Nazis die Abstinenz-Ideologie “Straight Edge” entdeckt und leisten drogenfrei und keusch ihren Beitrag zur Rassenhygiene.

Der abstinente Lebensstil – kein Alkohol, keine Drogen, nicht rauchen, Sex, wenn überhaupt, nur streng monogam, oft auch vegetarische Ernährung – schlägt offensichtlich bei ultrarechten „Straight Edgern“ gern in Verzichtswahn und Selbstkasteiung um. Sieht man sich die Ideologie der Nazis an, ist weder der moralische Rigorismus noch der besondere Fanatismus sonderlich erstaunlich. Ein wesentlicher Bestandteil im Denken alter und moderner Nazis sind „Reinheits“ und „Sauberkeits“-Vorstellungen. Nazis verwenden nicht zufällig eine Ungeziefer-, Krankheits- und Gift-Metaphorik, um ihre Gegner herabzusetzen. Laut „Junge Welt“ dienen die Askese und der Kampf gegen Drogen höheren Zielen: „Wir als Nationalsozialisten müssen diese Gesellschaft von dem Gift reinigen, mit dem ZOG alle füttert.“ (ZOG – Zionist Occupied Governments – Neonazisjargon für das, was bei den Originalnazis „Jüdische Systemherrschaft“ hieß.)

Die „asketische“ Tradition bei Nazis ist alt: schon die Ariosophen, auf die große Teile der Nazi-Weltanschauung zurückgehen, hingen der „Lebensreform“-Bewegung mit ihrem Streben nach einfacher, gesunder und natürlicher Lebensführung an. Dass Hitler selbst demonstrativ abstinent lebte – er trank nicht, rauchte nicht, war Vegetarier und lebte (zumindest in der Propaganda) mönchisch enthaltsam – lag nicht allein an seinen Vorlieben und seinem schwachen Magen, sondern war Programm. Heroismus und damit verbunden „Härte gegen sich selbst“ war (und ist) fester Bestandteil des Nazi-Selbstbildes.

Besonders ausgeprägt war der Kult um Härte, Reinheit und Askese in der SS. Diese Einstellung war ein „Erbteil“ der „Artamanen“, einer agrarromantischen Vereinigung, in der sich Ariosophie, Lebensreform, Naturschutz und Ideen Oswald Sprenglers („Der Untergang des Abendlandes“) mit dem Bestreben, im Osten „Lebensraum“ zu erobern, damit das deutsche Volk wieder „zur Scholle“ zurückkehren könne, mischten. Der ehemalige bayrische Gauleiter der Artamanen, Heinrich Himmler, betrachtete „seine“ SS als legitime Erbin der Artamanen. Er übernahm nicht nur die Uniform, das „Artamanenschwarz“, sondern auch das esoterische Weltbild, bei dem er allerdings teilweise von der ursprünglichen Technikfeindlichkeit abrückte. Für Himmler war die SS so etwas wie ein weltlicher Mönchsorden. Er wollte auf mittlere Sicht Abstinenz und vegetarische Ernährung zunächst in der SS, langfristig dann im ganzen deutschen Volk durchsetzen.

So gesehen kommen die „Straight Edge“-Nazis, obwohl sie auf das Grölen von „Sieg Heil“ und „Ausländer raus“-Parolen weitgehend verzichten und weder vor schrillem Styling noch vor Anglizismen zurückschrecken, ihren historischen Vorläufern näher, als die trinkfreudigen, stiefeltragenden und oft schmerbäuchigen „Glatzen“, die immer noch einen großen Teil des Nazi-Fußvolkes ausmachen.

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