Katholizismus ist keine Krankheit

24. Mai 2012 | Von | Kategorie: Gjallarhorn Weblog

Würden heidnische Ärzte behaupten, „Katholizismus sei heilbar“, würde das allgemeines Kopfschütteln ob so einer Absurdität hervorrufen. Empörung würde die darin implizite Behauptung, Katholizismus sei eine Krankheit, hervorrufen, die auch dadurch nicht entkräftet werden könnte, wenn die heidnischen Ärzte „klarstellen“ würden:

„Katholiken sind für uns nicht „krank“, sondern sie weisen auf verschiedenen Gebieten Auffälligkeiten auf, die wir Ärzte nicht übersehen und übergehen dürfen.“

Ein Flyer, den der „Bund katholischer Ärzte“ auf dem diesjährigen Katholikentag an Interessierte verteilte, rief teils Empörung, teils begeisterte Zustimmung, aber meistens ungläubiges Staunen hervor. („Das ist doch ein Fake, oder?“) Schwulenfeindliche Ärzte auf dem Katholikentag (Publikative.org)

Nein, die wissenschaftlich absurden und menschenverachtenden Ansichten sind leider echt – wovon man sich auf der Website des BKÄ überzeugen kann: Homosexualität

Menschenverachtend? Ja. Auch wenn die katholischen Ärzte es gut meinen, und nur helfen wollen:

Es geht hier nicht um Outing, Intoleranz oder gar „Diskriminierung“ oder „Stigmatisierung“ von homosexuell orientierten Menschen, wie uns vorgeworfen wird.

Es geht uns um einen ärztlichen Beitrag zu diesem uralten Thema.

Zudem möchten wir als Katholiken das unbequeme Thema weder übergehen, noch uns mundtot machen lassen oder sogar hilfreiche Erkenntnsse verschweigen.

Unbequem ist das Thema „Homosexualität“ vor allem für religiös konservative Menschen, Menschen, die fest davon überzeugt sind, dass es nur eine vor Gott legitime, nicht-sündige, Form der menschlichen Sexualität gäbe, nämlich die zwischen Ehemann und Ehefrau (in einer unauflöslichen Ehe natürlich), und das Sex allein deshalb Spaß mache, weil das Gottes Entschädigung für die Mühen der Kinderaufzucht sei.
Genusssexualität sei also Missbrauch einer göttlichen Gabe.

Dahinter steht, außer einer wortgläubigen Bibel-Auffassung, die Sündenlehre des „Kirchenlehrers“ Augustinus – und eine besondere Variante des „naturalistischen Fehlschlusses“: Da Sexualität „in der Natur“ der Fortpflanzung diene, sei „Homosexualität“ eben „widernatürlich“.

Solche strickten moralischen Richtlinien sind, jedenfalls für Heterosexuelle, die mit dem patriarchalischen Familienbild gut klarkommen, durchaus bequem. Sie machen es leicht, sich moralisch überlegen zu fühlen, weil man ja „normal“ sei. Außerdem sind Schwule, Lesben und andere „Perverse“ bequeme „Sündenböcke“ für alle möglichen Probleme.

Nach einer Emnid-Umfrag von 2000 sind rund 1% der Menschen schwul bzw. lesbisch und 2,5% „alternativ sexuell“ veranlagt. Für 9% der Männer und 19% der Frauen ist das eigene Geschlecht erotisch attraktiv.
Es gibt Hinweise darauf, dass der Anteil der Menschen, die lesbisch, schwul oder bi sind, noch erheblich größer ist.

Das deutet darauf hin, dass „Homosexualität“ ein völlig „normales“ Verhalten ist.

Der BKÄ hat recht damit, dass es „oft nicht zur Kenntnis genommenen Leiden dieser Menschen“ (Schwule und Lesben) gibt – nur: diese Leiden erwachsen nicht aus der „Homosexualität“ selbst, sondern aus gesellschaftlichem Druck, bis hin zur Verfolgung. Immer noch gibt es gesellschaftlich Normen, nach denen „Homosexualität“ etwas Falsches, Sündiges. Schädliches, Verbrecherisches usw. sei.

Die BKÄ-Ärzte versuchen, „Homosexualität“ zu definieren: Es sei keine Krankheit im „negativen Sinne“.
Es handele sich um psychische Störungen mit unterschiedlicher Ausprägung hinzu kämen Reifungs-und homoerotische Empfindungsstörungen. Das ist der Stand der Wissenschaft – allerdings der von vor 1920!
Homosexuell würde man durch frühkindliche, psychische Entwicklungsstörungen, gestörte Vater-Mutter-Beziehungen und epigenetische Vererbung bei syphilitischer Belastung.
Das Einzige, was daran nicht von „vorgestern“ ist, ist die „epigenetische Vererbung“.

Das Dumme dabei: Gleichgeschlechtlichen Sex gibt es nicht nur beim Menschen! Er ist bei bei über 1500 Tierarten nachgewiesen. Bei „schwulen Pinguine“ oder „lesbischen Hyänen“ sind „frühkindliche, psychische Entwicklungsstörungen, gestörte Vater-Mutter-Beziehungen“ und sogar „epigenetische Vererbung bei syphilitischer Belastung“ schwer vorstellbar. Syphilis ist übrigens eine „humanspezifische Krankheit“, allenfalls Menschenaffen könnten sich unter Umständen damit anstecken.
Apropos Menschenaffen: Beim nächsten lebenden genetischen Verwandten des Menschen, beim Bonobo (früher manchmal fälschlich „Zwergschimpanse“ genannt), betätigen sich 80% der Population bisexuell.

Die Stellungnahme des BKÄ zum Flyer soll beschwichtigen – bestätigt aber das erschreckende Menschenbild, das hinter dem BKÄ-Flyer mit der „Fachinformation über Homosexualität“ steht.

Man beruft sich auf die “heilige Schrift”, die Lehren der Kirche, spricht vom sittlichen Verfall, Eheproblemen, geringerer Lebenserwartung – aber vor allem vom „Zerrbild von Ehe und Familie“. Damit ist die Katze aus dem Sack: es geht um die Verteidigung einer bestimmten Norm, wie eine „ordentliche“ Familie gefälligst auszusehen hätte. Das zeigt sich auch bei anderen Aspekten der Sexualität: der BKÄ mag keine Verhütungsmittel, auch keine Kondome, da sie der Promiskuität Vorschub leisten würden.

Und man verbreitet gefährliche Halbwahrheiten – ein Beispiel: „Kondome etc. helfen nicht wirklich, da sie eine Sicherheit vortäuschen, die nicht 100%-ig ist.“
Nun, nichts ist absolut sicher. Undichte Kondome gibt es (wenn auch zum Glück selten).
Allerdings ist der Empfängnis- und Infektionsschutz durch „Gummi“ sicherer als die empfohlene „eheliche Treue“ – denn wer kann sich schon absolut (!) sicher sein, dass der Partner niemals „untreu“ war?

Es gilt: Jeder Mensch soll seine sexuelle Identität selbst bestimmen und ohne Diskriminierung leben können!

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5 Kommentare
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  1. Hi martin,

    es sind ganz gewiss mehr als 1% der menschenweltweit, die homosexuell sind. Es gibt zwar keine geischerten Erkenntnisse…und wo passt “ bi “ dann rein??;)… ABER 10% kann man ruhig annehmen ;), ohne zu übertreiben.

    Liebe Grüße
    Carola

  2. Hi, Carola,
    da ich weiß, wie Umfragen dieser Art meistens ablaufen, sind die „1%“ in der alten Emmid-Umfrage als unterster Grenzwert zu werten. Ich denke, dass nur sehr selbstbewusste Schwule und Lesben da „ja“ geantwortet haben werden, auch bei zugesagter Anonymität. „Bi“ passt da gut ´rein. nach dieser Umfrage wären ca. 18% der Frauen potenziell bi. 😉

    Ich bin Anhänger der Theorie, dass die sexuelle Präferenzen ein Kontinuum bilden, bei dem „rein hetero“ und „rein homo“ die Extremwerte sind, mit „richtig bi“ in der Mitte. Genau so die Häufigkeit des Sexualverkehrs: da reicht das Spektrum von freiwillig asexuell bis „fünf Mal täglich und öfter, wenn es ginge“. Und alles ist „normal“ und, soweit die Betreffenden sich damit wohl fühlen, in Ordnung.

  3. @sexuelle Präferenzen als Kontinuum: Ja, es gibt schon seit 1953 die Kinsey-Skala, die eben dieses Kontinuum abbildet (0 ist auf der Kinsey-Skala jemand, der ausschließlich heterosexuell begehrt, 6 jemand, dessen sexuelles Begehren sich ausschließlich auf Menschen desselben Geschlechts bezieht).

    Leute, die sich als asexuell bezeichnen, stellen mittlerweile auch heraus, daß es verschiedene Abstufungen von Asexualität gibt – so entstanden etwa die Begriffe „demisexuell“ oder „Grey-A“ (für verschiedene „Graustufen“ der Asexualität).

  4. Tja… Homophobie ist heilbar! 😉

  5. @ felicitas

    Nein, anscheinend nicht. Homophobie ist leider kaum heilbar, jedenfalls kenne ich kaum erfolgreiche Heilungsprozesse. Dieses geistige Krebsgeschwür führt in fast allen Fällen zu geistiger Starre und damit zum Tod aller Offenheit und Toleranz.

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