Je gläubiger, desto öfter Schläge?

25. April 2013 | Von | Kategorie: Gjallarhorn Weblog

Die Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) wehrt sich gegen eine Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN), laut der streng religiöse Eltern ihre Kinder massiver und häufiger schlagen als andere.

Freikirchen wehren sich gegen Gewaltstudie

Hier die Studie zum Download (pdf).

Die Studie besagt, dass Kinder in sehr religiösen freikirchlichen Familien besonders häufig Opfer von Gewalt werden. Mehr als jeder sechste freikirchliche Schüler hat demnach in der Kindheit schwere elterliche Gewalt erlebt. Und: Je religiöser die Eltern seien, desto häufiger und massiver schlügen sie ihre Kinder. Bei den katholischen und evangelischen Schülern liege die Quote deutlich niedriger.

Nun ist das KNF und vor allem sein Leiter und Mitautor der Studie, Christian Pfeiffer, nicht unumstritten. Pfeiffer ist ein häufiger Gast in Talkshows und profilierte sich schon einige Male mit steilen Thesen. Bekannt wurde er dadurch, dass er einen Zusammenhang zwischen der seiner Auffassung nach autoritären Erziehung in den Kindergärten und Grundschulen der DDR und den in Ostdeutschland um ein Vielfaches häufigeren ausländerfeindlichen Gewalttaten herstellte.
Noch bekannter wurde er mit seinen Ausagen über den Einfluss von „Killerspielen“ auf junge Menschen. Pfeiffer gilt neben dem Neurologen Manfred Spitzer als einer der schärfsten Kritiker von digitalen Unterhaltungsmedien.
Pfeiffer behauptete außerdem einen direkten Zusammenhang zwischen zu zeitaufwändigem Videospiel-Konsum und nachlassenden Schulleistungen.

Daher ist es vielleicht nachvollziehbar, dass der VEF die Untersuchung für ungenau und damit auch für unseriös hält, und VEF-Sprecher Jörgensen dem KNF vorwirft, auf Gesprächangebote nicht eingegangen zu sein.

Bemerkenswert ist, dass die Kriminologische Studie zum Missbrauch in der katholischen Kirche Deutschlands im Januar 2013 von der Deutschen Bischofskonferenz gekündigt wurde, weil das Vertrauensverhältnis zwischen KNF-Direktor Pfeiffer und den deutschen römisch-katholischen Bischöfen zerüttet sei. Pfeiffer wiederum wirft der Deutschen Bischofskonferenz vor, die Missbrauchstudie zensieren zu wollen.

Meiner Ansicht nach muss man bei den Studien des KNF zwischen den reinen Ergebnissen und ihrer Deutung unterscheiden. Das KNF und Pfeiffer sind vor allem wegen ihrer Erklärungsmodelle umstritten.
Meines Erachtens sollte zwischen „Killerspiele-Pfeiffer“, der die Erklärungsmodelle der Studien seines Instituts in Talkshows und Interviews noch weiter provokativ zuspitzt, und den reinen Untersuchungen des Instituts unterschieden werden.
Im Falle der Missbrauchstudie ging es eben nicht um das Erklärungsmodell, warum Kinder von katholischen Geistlichen missbraucht wurden, sondern die Vorwürfe Pfeiffers richteten sich gegen die ziemlich offensichtlichen Versuche der katholischen Kirchenleitung, die für sie unangenehmen Tatsachen so gut wie möglich unter den Teppich zu kehren.

Die Frage ist also: Stören sich die Evangelikalen eher an den erschreckenden Ergebnissen der Studie oder am Erklärungsmodell?
An der Feststellung, dass in streng religösen evangelikalen Familien sehr vlel mehr und heftiger geprügelt wird als in anderen Familien, ist kaum zu zweifeln, sie ist bei weitem nicht die erste Studie, aus der dieser statistischen Zusammenhang deutlich wird.
Auch am Ergebnis, dass der Zusammenhang „Je gläubiger, desto mehr wird zugeschlagen“ nur für die die evangelisch-freikirchlichen Gemeinden gilt, ist wenig zu zweifeln.
Schon die nüchternen Zahlen dürften den Evangelischen Freikirchen nicht passen.

Die mögliche Erklärung, warum das so ist, steht auf einem anderen Blatt. Laut den Autoren der Studie gebe es „eine christliche Tradition des erzieherisch motivierten Schlagens von Kindern“. Und insbesondere Nicht-Akademiker in Freikirchen hätten diese Tradition offenbar noch nicht überwunden.

Das klingt nach einer „Patenterklärung“ wie „Computerspiele machen dumm und aggressiv“. Vor allem müsste sich so eine Tradition auch bei anderen stark traditionsorientierten christlichen Glaubensgemeinschaften finden lassen.

Ich habe wenig Zweifel daran, dass es es die „christliche Prügel-Tradition“ tatsächlich gibt.
Allerdings sollte sie im Kontext der „schwarzen Pädagogik“ gesehen werden, die ja auch ausgesprochen nicht-religiöse und sogar anti-religiöse Anhänger hat.
Einen ziemlich deutlichen Zusammenhang gibt es zwischen einem autoritären Menschenbild, autoritärer Persönlichkeit und der Neigung, mit gewaltsamen Mitteln zu erziehen. Und, um den Kreis zu schießen, führt ein autoritäres Menschenbild zu einem autoritären Gottesbild, was wieder dazu führt, dass ein mythologischer Text wie die Bibel als unfehlbare und unhinterfragbare Autorität wahrgenommen wird.

MartinM

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