„Irminsul“ auf den Externsteinen – kein harmloser Streich!

3. Januar 2017 | Von | Kategorie: Gjallarhorn Weblog

Am Neujahrstag 2017 thronte eine Holzsäule, die offenkundig eine Nachbildung der Irminsul sein sollte, auf dem höchsten Felsen der Externsteine. Die Feuerwehr Horn-Bad Meinberg baute sie am Sonntagabend mit großem Aufwand wieder ab. Die Denkmalstiftung des Landesverbandes Lippe hat Anzeige erstattet.

Unbekannte installieren in Silvesternacht „Irminsul“-Symbol auf den Externsteinen

Staatsschutz ermittelt wegen „Irminsul“-Symbol auf den Externsteinen

Eine Überreaktion auf einen gelungenen Streich? Keineswegs!
Es ist auch kein Anlass zur klammheimlichen Freude.

Die Säule, die die unbekannten Täter auf Fels II der Externsteine installierten, war wahrscheinlich nicht zufällig in den „Reichsfarben“ schwarz, weiß und rot bemalt. Wenn der Landesverband Lippe einen „eindeutig rechtsradikalen Hintergrund“ sieht, dann dürfte er recht haben. Die Irminsul in der dargestellten Form ist in der Tat ein charakteristisches Symbol völkischer Heiden und ein beliebtes „legales Ersatzsymbol“ für Nazis. Sie war zudem ein Emblem der „Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe“ der SS.
Frederic Clasmeier von der „Mobilen Beratung gegen Rechts“ kamen nicht von ungefähr unsere „besonderen Freunde“, die „Nazitrus“ der ultra-rassistischen und antisemitischen „Artgemeinschaft – germanistische Glaubensgemeinschaft“, in den Sinn, deren Symbol die Irminsul in der von den „Scherzbolden“ verwendeten Form ist.
(Dass die „Irminsul“ auch von nicht-rechten Heiden und unter Esoterikern verwendet wird, dürfte der Unkenntnis oder bewusster Ignoranz „schulwissenschaftlichen Wissens“ geschuldet sein – mehr dazu weiter unten.)

Selbst wenn es keinen „rechten Hintergrund“ geben sollte, ist der „Streich“ als Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und Verstoß gegen das Denkmalschutzgesetz strafrechtlich relevant. Und, wenn man an die erheblichen Kosten des aufwendigen Feuerwehreinsatzes denkt, ein teurer „Streich“. (Hoffentlich für die Täter!)

Für demokratisch gesonnenen Heiden – und auch für „harmlose Esoteriker“ – ist der „Streich“ ein echtes Ärgernis.
Der Landesverband Lippe zeigt schon seit Jahren eine klare Haltung den Misssbrauch der Externsteine für rechte, reaktionäre Positionen, und zwar erfreulicherweise über eindeutig erkennbare Nazi-Ideologie hinaus. Zum anderen wendet er sich auch gegen wissenschaftlich nicht belegbare Deutungen der Externsteine, etwa als heidnische bzw. germanische Kultstätte. Und genau hier droht unter Umständen Ärger: Jene, die schon seit eh und je fordern, heidnische Kulthandlungen und Sonnenwendfeiern an den „Steinen“ müssten endlich verboten werden, dürften mit dieser strunzdämlichen Aktion Auftrieb erhalten.

Die Irminsul

Einigermaßen sicher ist nur bekannt, dass die Irminsul ein Stammesheiligtum der Sachsen war. Unbekannt ist, ob es nur diese eine Säule gab oder doch mehrere „Irminsulen“.

Die in den fränkischen Reichsanalen als „Ermensul“ bezeichnete Säule wurde auf Veranlassung Karls „des Großen“ 772 zerstört.
Es gibt nur wage Hinweise darauf, wo diese Säule stand. Nach den „Reichsannalen“ stand sie in einiger Entfernung von der Eresburg beim heutigen Obermarsberg. Das liegt bekanntlich im Hochsauerland, und damit wäre es ausgeschlossen, dass die von den Soldaten Karls zerstörte Säule auf den Externsteinen stand.
Die Befürworter der „Externsteinhypothese“ berufen sich deshalb auf (unsichere) Überlieferungen, nach denen das Heer Karls am Bullerborn, einer intermittierenden Quelle bei Altenbeken, lagerte, bevor es an den darauffolgenden Tagen das Irminsul-Heiligtum eroberte und zerstörte. Das wäre immerhin von der Marschleistung her möglich gewesen, ist aber mit den als einigermaßen zuverlässige Quelle bekannten Reichsannalen nur dann vereinbar, wenn es, entgegen dem Wortlaut der Annalen, mehrere Irminsul-Heiligtümer gegeben hätte.

Über die kultische Funktion und das Aussehen der Irminsul ist sehr wenig bekannt. Die „ausführlichsten“ Angaben hierzu finden sich in Rudolf von Fuldas „De miraculis sancti Alexandri“ aus dem Jahre 863, also einer nicht mehr zeitgenössen Quelle. Demnach war sie ein unter freiem Himmel senkrecht aufgerichteter großer Baumstamm. „Irminsul“ bedeutet nach Rudolf columna universalis, also „Säule des Universums“ und trägt gewissermaßen das All. „All-Säule“ ist daher eine mögliche Deutung von „Irminsul“; von der Entymologie wahrscheinlicher ist „Große Säule“. Ein Bezug zum aus der altnordischen Mythologie bekannten „Weltenbaum“ Yggdrasil liegt nahe, ist aber mangels weiterer Quellen nicht beweisbar.

Alles, was über diese mageren Fakten wesendlich hinaus geht, ist pure Spekulation!
Und damit sind wir bei den „völkischen Esoterikern“ des 19. und 20. Jahrhunderts. Das u. A. bei der neonazistische „Artgemeinschaft“ und dem ariosophischen „Armanenorden“ verwendete „Design“ der am Neujahrstag auf den Externsteinen“ aufgestellten Säule geht auf den völkischer Laienforscher Wilhelm Teudt zurück. In seinem 1929 erschienenen Buch „Germanische Heiligtümer“ behauptete er, das Kreuzabnahmerelief an den Externsteinen zeige mit dem gebogenen Gegenstand am Fuß des Kreuzes die Kultsäule der Sachsen. Als Symbol für den Sieg des Christentums über das Heidentum sei sie dort allerdings gebeugt dargestellt worden. Einen Beleg für diese kühne Vermutung hatte Teudt nicht, trotzdem wurde die „wiederaufgerichtete Irminsul“ schnell populär, vielleicht auch wegen ihrer „gefälligen“ Formgebung.
Die Form dieser vermeindlichen „Irminsul“ findet sich auch bei Säulenkapitellen in einigen romanischen Kirchen, ist also keineswegs einmalig. Diese Kapitellform geht wahrscheinlich auf silisierte Dattelpalmen zurück, die die Kunsthandwerker der deutschen Romanik wohl nur von vereinfachten Abbildungen her gekannt haben dürften. Wieso es eine geknickte Dattelpalme als Leiterersatz in ein Kreuzabnahmerelief schaffte, ist mangels weiterer Indizien das Geheimnis des unbekannten mittelalterlichen Bildhauers.

Wenn man so will, haben die mutmaßlich völkischen und sicherlich germanentümelnden „Scherzbolde“ am Neujahrsmorgen eine Dattelpalme auf den Felsen II der Externsteine gepflanzt!

Ja, und noch etwas: Dafür, dass die Externsteine in „germanischer Zeit“ *), also zwischen dem Beginn der Eisenzeit und den „Sachsenkriegen“ als Kultstätte genutzt wurden, gibt es in der Tat keine tragfähigen Hinweise.
Wenn man bedenkt, wie umfangreich die Fundlage bei den bekannten eisenzeitlichen Kultstätten ist, und dass das „Ahnenerbe“ trotz gezielter Suche keine germanischen Artefakte fand, dürfte das mit aller gebotener Vorsicht bedeuten, dass die „Steine“ keine bedeutende Kultstätte der alten Sachsen gewesen sein können.

Und ohne viel benutzten Kultplatz würde eine Irminsul auf den Externsteinen irgendwie keinen Sinn ergeben.

*) Ergänzung: „Germanische Zeit“ in „völkischer“ Lesart. Tatsächlich gab es im „Teuteburger Wald“ Höhenfestungen, die der Latènekultur zugeordnet werden können, mithin also „keltisch“ waren.

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4 Kommentare
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  1. Danke Martin! Ich ergänze da mal zusätzlich: Es sind solche und ähnliche „Aktionen“, die dem Ruf des Heidentums, speziell „germanisch“ orientiertem, schaden. Ich hoffe ja, dass auch ein paar derer, die sich gern mal darüber beschweren, dass sie als Asatrú (zu) schnell ungerechtfertigter in die rechte Ecke gesetzt werden, anhand solcher „Aktionen“ verstehen, dass dieses Bild in der Öffentlichkeit nicht daran liegt, dass die Öffentlichkeit „zu voreingenommen“ ist sondern, dass sie, wenn sie was (vermeintlich) „germanisches“ zu sehen bekommt, das zu oft eben solche Dinge sind. Weshalb es eben auch wichtig ist, von „unserer“ Seite (as in „Asatrú, die keine Nazis sind“) hier Position zu beziehen und zu zeigen. Und den Nazis und Rassisten nicht die Deutungshoheit über das, was die Öffentlichkeit zu sehen bekommt rund um das ganze weite Feld „germanisch“ zu überlassen.

  2. Sehr zu begrüßende Stellungnahme zur Irminsul an den Externsteinen von drei heidnischen Vereinen.

    „Stellungnahme / Presseerklärung der Vereine Eldaring e.V., Verein für Germanisches Heidentum (VfGH) e.V. und Celtoi e.V.

    In der Nacht des 31.12.2016 wurde eine stilisierte „Irminsul“ in den Farben weiß-rot-schwarz auf den Externsteinen, einer Felsformation des Teutoburger Waldes im Kreis Lippe, von Unbekannten nach Art eines Gipfelkreuzes angebracht.

    Dass die fragliche Irminsul-Nachbildung in den Farben des Kaiserreichs und des 3. Reichs gehalten wurde, legt nahe, dass es sich höchstwahrscheinlich um eine politisch motivierte Tat aus dem rechtsextremen Spektrum handelt. Mithin wurde ein religiöses Symbol für einen politischen Zweck missbraucht – mal wieder.

    Wir verurteilen diese Tat in aller Deutlichkeit und hoffen, dass die Täter ermittelt und zur Verantwortung gezogen werden. Wer immer für diese Aktion verantwortlich ist, hat eine Straftat begangen und dem Heidentum einen Bärendienst erwiesen. Den politischen, insbesondere rechtsextremen Missbrauch heidnischer Symbolik, in diesem Falle der Irminsul, verurteilen wir auf das Schärfste! Wir wehren uns mit Nachdruck gegen Versuche der Vereinnahmung heidnischer Symbole durch rechtsextreme Kreise.

    Die Irminsul – auch Ermensul – wird in heidnischen Kreisen als Symbol des Lebensbaumes verstanden und oft mit der Yggdrasil der isländischen Überlieferung gleichgesetzt. Die Yggdrasil verbindet die neun Welten der nordeuropäischen Mythologie miteinander. Im Zuge des Eroberungskrieges Karls des Großen gegen die Sachsen im 8. Jahrhundert soll eine für den Kult der Sachsen bedeutsame Irminsul durch die Franken vernichtet worden sein. In Erinnerung an die altsächsische Irminsul wird von vielen Neuheiden heute eine stilisierte Irminsul als Symbol ihrer religiösen Identität verwendet.

    Ob die Externsteine in vorchristlicher Zeit Schauplatz kultischer Handlungen waren, ist nicht belegt. Die Externsteine sind jedoch ein ehrfurchtgebietendes Naturdenkmal und sollten als solches gewürdigt und respektiert werden. Jedwede Instrumentalisierung der Externsteine für extremistische Inszenierungen lehnen wir in aller Deutlichkeit ab.

    Die Vorstände des Eldaring e.V., VfGH e.V. und Celtoi e.V.“

  3. Sehr gut! Aber es ist auch aus Denkmal-Erhaltungsgründen eine Sauerei!

  4. „Wieso es eine geknickte Dattelpalme als Leiterersatz in ein Kreuzabnahmerelief schaffte, ist mangels weiterer Indizien das Geheimnis des unbekannten mittelalterlichen Bildhauers.“

    Einfach mal versuchen, eine filigrane Leiter in Stein zu hauen und das Geheimnis ist kein Geheimnis mehr…..
    Ähnliche Arbeiten aus der Zeit gibt es auch in Spanien.
    Auch dort musste eine Pflanze als Tritt dienen.
    Bei anderen Darstellungen sind es einfach nur Erderhebungen.
    Leitern kamen erst hunderte Jahre später in die Bilder.

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