Heine zur Wiederkehr der Alten Götter

25. November 2008 | Von | Kategorie: Odins Auge Artikel

Ein überaus kluges und geradezu prophetisches Werk Heinrich Heines ist sein langer Essay „Zur Geschichte der Religion & Philosophie in Deutschland“, geschrieben zu einer Zeit, als „Deutschland“ ein politischer Flickenteppich war. Ein Warnung vor den Konsequenzen, die aus der deutschen Nationalromantik erwachsen, wenn man sie nur konsequent zu Ende denkt – und sich dazu einen deutschen Nationalstaat denkt, der nationalromantisch geprägt ist. Wahrscheinlich konnte nur ein ausgewiesener Romantiker (und widerwilliger Patriot) wie Heine das kommende Unheil so klar erkennen.

In „Zur Geschichte der Religion & Philosophie in Deutschland – Drittes Buch“ bespöttelt er geistreich die Philosophen des „deutschen Idealismus“ von Kant bis Hegel, und legt deren inhumane und potenziell gefährlichen Tendenzen bloß.

Nebenbei liefert er eine einleuchtende Erklärung für das große Rätsel, wieso Kant, der so spritzig und verständlich schreiben konnte, wenn er wollte, ausgerechnet sein Hauptwerk, die „Kritik der reinen Vernunft“ in einem „so grauen, trockenen Packpapierstil“ geschrieben hatte.

Da ich es mit den „Alten Göttern“ habe, sprach mich folgender Absatz besonders an – bitte sorgfältig lesen. Es ist nicht Heines Kommentar zum Asatrú, auch wenn es streckenweise so klingt:

„Das Christentum – und das ist sein schönstes Verdienst – hat jene brutale germanische Kampflust einigermaßen besänftigt, konnte sie jedoch nicht zerstören, und wenn einst der zähmende Talisman, das Kreuz, zerbricht, dann rasselt wieder empor die Wildheit der alten Kämpfer, die unsinnige Berserkerwut, wovon die nordischen Dichter so viel singen und sagen. Jener Talisman ist morsch, und kommen wird der Tag, wo er kläglich zusammenbricht; die alten steinernen Götter erheben sich dann aus dem verschollenen Schutt, und reiben sich den tausendjährigen Staub aus den Augen, und Thor mit dem Riesenhammer springt endlich empor und zerschlägt die gotischen Dome. Wenn Ihr dann das Gepolter und Geklirre hört, hütet Euch, Ihr Nachbarskinder, Ihr Franzosen, und mischt Euch nicht in die Geschäfte, die wir zu Hause in Deutschland vollbringen. Es könnte Euch schlecht bekommen. Hütet Euch das Feuer anzufachen, hütet Euch es zu löschen; Ihr könntet Euch leicht an den Flammen die Finger verbrennen. Lächelt nicht über meinen Rat, über den Rat eines Träumers, der Euch vor Kantianern, Fichteanern und Naturphilosophen warnt. Lächelt nicht über den Phantasten, der im Reiche der Erscheinungen dieselbe Revolution erwartet, die im Gebiete des Geistes stattgefunden. Der Gedanke geht der Tat voraus, wie der Blitz dem Donner. Der deutsche Donner ist freilich auch ein Deutscher und ist nicht sehr gelenkig und kommt etwas langsam herangerollt; aber kommen wird er, und wenn Ihr es einst krachen hört, wie es noch niemals in der Weltgeschichte gekracht hat, so wißt, der deutsche Donner hat endlich sein Ziel erreicht. Bei diesem Geräusche werden die Adler aus der Luft tot niederfallen, und die Löwen in der fernsten Wüste Afrikas werden die Schwänze einkneifen und sich in ihren königlichen Höhlen verkriechen. Es wird ein Stück aufgeführt werden in Deutschland, wogegen die französische Revolution nur wie eine harmlose Idylle erscheinen möchte. Jetzt ist es freilich ziemlich still; und gebärdet sich auch dort der eine oder der andre etwas lebhaft, so glaubt nur nicht, diese würden einst als wirkliche Akteure auftreten. Es sind nur die kleinen Hunde, die in der leeren Arena herumlaufen und einander anbellen und beißen, ehe die Stunde erscheint, wo dort die Schar der Gladiatoren anlangt, die auf Tod und Leben kämpfen sollen.“

Heine sollte leider recht behalten. Ob es wirklich das Christentum war, das die „brutale germanische Kampflust“ zähmte, lass ich einmal dahingestellt.

Ob Thor wirklich darauf aus ist, mit seinem Hammer die gotischen Dome zu zerschlagen, wage ich, in Kenntnis der Mythen, sehr zu bezweifeln. Das steht gewissermaßen nicht in der Stellenbeschreibung des Riesen-Bekämpfers und Schützers der Menschheit.

Wer, so fasse ich Heine auf, darauf aus ist, mehr als nur Dome zu zertrümmern, der teilt das grotesk wirklichkeitsfremde „idealistische“ Bild der Deutschen von der Welt und von sich selbst. Die Mentalität des ewigen Schulmeisters. Wie in einer Anekdote über Hegel, der gesagt haben soll, wenn seine Philosophie nicht der Wirklichkeit entsprechen würde, wäre das umso schlimmer für die Wirklichkeit. Oder, im Alltag, des Bürokraten, der nicht sieht, was in seinen Vorschriften nicht vorgesehen ist. Oder des Autofahrers, auf dessen Grabstein steht: „Ich hatte Vorfahrt!“

Idealismus, schnell umschlagend in ideologisches Denken, ungezähmt durch Ethik und Moral. Die ja in der deutschen Praxis meist christliche Ethik und Moral sind.

Es stimmt, dass in der Nationalromantik, im „deutschen Idealismus“, das vorhergedacht wurde, was dann unter Bismark und später in Eisen und Blut realisiert wurde. Nicht im Sinne einer Schuld, auch nicht im Sinne einer Kausalkette, noch nicht einmal, indem die Praktiker des deutschen Nationalismus sich auf diese Philosophen berufen würden – meistens wird ihre Bildung nicht so weit gereicht haben – Nationalismus ist in Deutschland vor allem Sache der Halb- (oder weniger) Gebildeten. Nein sie (am wenigsten noch Kant) schufen ein geistiges Klima, in dem totalitäres Denken (im Sinne Karl Poppers oder Hannah Arendts) besonders gut gedieh.

Bis heute.

Ich halte den „antideutschen“ Ansatz für verfehlt (auch weil er sehr deutsch daher kommt – negativer Nationalismus), aber ein gesundes Misstrauen gegenüber dem „deutsche Wesen“ ist angebracht. Oder, wie Heine seinen französischen Lesern riet:

Da Ihr, trotz Eurer jetzigen Romantik, geborene Klassiker seid, so kennt Ihr den Olymp. Unter den nackten Göttern und Göttinnen, die sich dort bei Nektar und Ambrosia erlustigen, seht Ihr eine Göttin, die, obgleich umgeben von lauter Fröhlichkeit und Kurzweil, dennoch immer einen Panzer trägt und den Helm auf dem Kopf und den Speer in der Hand behält. Es ist die Göttin der Weisheit.

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