Der neue Tempel – und ein altes Ärgernis

6. Februar 2015 | Von | Kategorie: Das Odins Auge Projekt, Gjallarhorn Weblog

Zuerst die erfreuliche Nachricht: Die Pläne der Ásatrúarfélag, einen Ásatrúarhof, einen “heidnisch-germanischen Tempel” auf dem Öskjuhlíð, einem Hügel in Reykjavík, zu errichten, werden in die Tat umgesetzt. Island: Neuer heidnischer Tempel wird gebaut, und sogar in der deutschsprachigen Presse wird darüber berichtet – z. B. recht gut von der österreichischen Zeitung „Die Presse”: Ein neuer Tempel für Thor und Odin.

Ausgesprochen unerfreulich ist dagegen das, was sich das der Online-Ableger des deutsches Nachrichtenmagazin „Focus” leistete. Rückkehr der Götter im hohen Norden: Für Odin und Thor: Island baut ersten Heiden-Tempel seit Wikingerzeit

Der „Focus-Online”-Artikel beruht auf einer Meldung des britischen „The Independent”.
Als guter Journalist begnügte sich „Focus-Online”-Redakteur Melchior Poppe nicht damit, die Meldung des „Independent” zu zitieren. Er recherchierte offensichtlich, ob es auch in Deutschland Ásatrú-Anhänger gäbe. Was dabei herauskam, ist nun alles andere als erfreulich:

[…] Auch in Deutschland finden sich Ableger des Asen-Glaubens: Die 1991 gegründete Germanische Glaubensgemeinschaft (GGG) etwa beruft sich auf die 1907 vom Dichter Ludwig Fahrenkrog gegründete und knapp 60 Jahre später wieder aufgelöste Gemeinschaft gleichen Namens. Sie gilt nicht als Sekte sondern ist als offizielle Glaubensreligion anerkannt. Ein zentrales Kultgebäude gibt es aber nicht.[…]“

Warum ist das so ärgerlich? Erst einmal, weil es die „alte” GGG Fahrenkrogs gar nicht so sehr mit den „germanischen Göttern” hatte – dort wurden eher „göttliche Germanen” verehrt. Sie verstand sich selbst als „Deutsch-religiöse Gemeinde“ und war eindeutig deutsch-völkisch orientiert, wozu auch Versatzstücke der rassistisch-esoterischen Ariosophie gehörten. Fahrenkrog war Antisemit und sah das sich auf dem Judentum aufbauende Christentum als den Germanen wesensfremd an. Fairerweise muss man allerdings erwähnen, dass sein Verhältnis zu den Nazis alles andere als gut war.

Die 1991 von dem ehemaligen „Grünen” und jetzigen AfD-Politiker Géza Árpád von Nahodyl-Neményi, bekannt als Géza von Neményi oder Árpád von Nahodyl-Neményi, neugegründete „Germanische Glaubens-Gemeinschaft e. V.” will an der Tradition der alten GGG anknüpfen, nach eigenen Angaben allerdings ohne deren völkische Grundlagen.

Schon der Wikipedia-Artikel über die GGG zeigt, dass sie eine deutlich hierarchisch organisierte „Heidenkirche” ist, und dass der Spottname „Heidenpapst” durchaus berechtigt ist, obwohl der Anspruch von Neményis und seiner Gruppe auf die europaweite Führung der heidnischen Glaubensgemeinschaften ebenso kläglich scheiterte, wie seine Versuche, die Begriffe „Altheidentum” und „Allsherjargode” beim DPMA markenrechtlich schützen zu lassen. Die Anzahl der Mitglieder der GGG wird geheim gehalten, seriöse Schätzungen gehen von einer Mitgliederzahl im unteren zweistelligen Bereich aus. Ansonsten ist die GGG unter den deutschsprachigen Heiden völlig isoliert und wird inhaltlich schon lange nicht mehr ernst genommen. Die Karriere vom „Enfant terrible” über die „Persona non grata” zur „reinen Lachnummer” hat G. v. N. schon vor über 10 Jahren „erfolgreich” absolviert.
Allerdings schafft es der eifrige Selbstdarsteller, Verfasser esoterischer Bücher und Adelssnob von Nahodyl-Neményi es immer wieder, Ansprechpartner zu finden, die ihn ernst nehmen. Der Artikel in „Focus-Online” verschafft dem GGG, hoffentlich unbeabsichtigt, ein Prestige, das diesem kleinen, aber offenkundig größenwahnsinnigen Verein absolut nicht zukommt. G. v. N. ergriff selbstverständlich die Gelegenheit zur Selbstdarstellung in den Kommentaren beim Schopfe.

Im „Wikipedia”-Artikel zum Germanischen Neuheidentum steht:

[…]Eine Rekonstruktion des „alten Glaubens“ war in Deutschland schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu beobachten, als mehrere germanisch-heidnische Gemeinschaften entstanden. 1913 schlossen sich auf Initiative des Malers und Dichters Ludwig Fahrenkrog mehrere dieser Gemeinschaften zur Germanischen Glaubens-Gemeinschaft (GGG) zusammen. Sie bestand bis 1964. Die 1991 als Verein in Berlin neu eingetragene Germanische Glaubens-Gemeinschaft[38] sieht sich in ungebrochener Tradition mit der früheren Organisation.[38][…]“

Leider las Herr Poppe anscheinend nicht, was unmittelbar darunter stand – oder er hielt es für unwesentlich:

Die meisten heutigen Vereine sehen sich nicht in der Tradition des 19. Jahrhunderts, sondern in der Definition Asatrus, wie sie 1973 Sveinbjörn Beinteinsson auf Island als „alte Sitte“ definierte. Im März 1995 wurde in Köln der Verein für Germanisches Heidentum e. V. (VfGH e. V.) zunächst als Schwesterorganisation des britischen Odinic Rites unter dem Namen „Odinic Rite Deutschland e. V.“ (ORD) gegründet.[39] Im April 2006 erhielt der Verein auf einstimmigen Mitgliederbeschluss seinen heutigen Namen.[40]
Im allgemein heidnisch orientierten Rabenclan e. V.[41] organisierte sich 1997 die seither unabhängige Ásatrú-Gruppe Nornirs Ætt.[42] Die Nornirs Ætt ist überregional organisiert, unterhält aber auch mehrere Untergruppen, die als regionale Thinggemeinschaften „Fylki“ genannt werden. Sie besitzt keine gültige Rechtsform, sondern ist ein basisdemokratischer Zusammenschluss von Freunden.[42] Diese Ásatrú-Organisation ist vor allem für ihre langjährige Aufklärungsarbeit gegen rechtsextreme oder rassistische Einflussnahme auf die Ásatrú-Szene bekannt.[43]
Im August des Jahres 2000 gründete sich mit dem Eldaring e. V.[44] ein weiterer Verein mit dem Ziel, Ásatrú zu leben.[42] 2002 erfolgte beim Amtsgericht Trier die Eintragung als eingetragener Verein.[42] Der Eldaring hält gute Beziehungen zum dänischen Forn Siðr – Asa- og Vanetrosamfundet, zur norwegischen Åsatrosamfundet Bifrost sowie zum niederländischen Het Rad und ist heutzutage der wohl mitgliederstärkste Verein mit ca. 270 Mitglieder (Stand Dezember 2014) dieser Art in Deutschland. Auf der Mitgliederversammlung im Oktober 2012 wurde bekanntgegeben, dass der Eldaring e. V. als gemeinnützig anerkannt wurde.(…)

Wie war das noch mal mit „Fakten, Fakten, Fakten”, wenn die Recherche offensichtlich nicht einmal bis zur „Wikipedia” reicht?

Von Neményi schrob in einem Kommentar zum „Focus-Online“-Artikel:

[…]Sicher gibt es verschiedene Vereine in Deutschland, die sich von der Thematik her mit germ. Mythologie befassen. Aber nur die GGG ist eine staatlich anerkannte Religionsgemeinschaft mit einheitlicher, ausformulierter Lehre und mit Priestern; die erwähnten Vereine haben weder Priester, noch eine einheitliche Lehre.[…]

Das mit der fehlenden „einheitlichen, ausformulierten Lehre” trifft zu. Na und? So etwas haben selbst einige etablierte Religionsgemeinschaften nicht!
In Deutschland gibt es übrigens gar keine „staatliche Anerkennung“ von Religionsgeimeinschaften, es sei denn, er würde darunter die Anerkennung als Körperschaft öffentlichen Rechts verstehen – und von der ist der Kleinverein einigermaßen weit entfernt. (Die Distanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit bei der GGG dürfte am besten in Lichtjahren oder in Parsec zu messen sein.)

Tags: , , , , , , , , , , , , , , , ,

4 Kommentare
Hinterlasse einen Kommentar »

  1. Zitat:

    Warum ist das so ärgerlich? Erst einmal, weil es die „alte” GGG Fahrenkrogs gar nicht so sehr mit den „germanischen Göttern” hatte – dort wurden eher „göttliche Germanen” verehrt. Sie verstand sich selbst als „Deutsch-religiöse Gemeinde“ und war eindeutig deutsch-völkisch orientiert, wozu auch Versatzstücke der rassistisch-esoterischen Ariosophie gehörten. Fahrenkrog war Antisemit und sah das sich auf dem Judentum aufbauende Christentum als den Germanen wesensfremd an. Fairerweise muss man allerdings erwähnen, dass sein Verhältnis zu den Nazis alles andere als gut war.

    -> Gut aus Wikipedia abgeschrieben, aber leider muss man es wohl etwas differenzierter sehen. Die GGG war in erster Linie deutsch-mystisch mit pantheistischem Einschlag, der auf der germanischen Mythologie aufbaute. Antisemitismus war trotz religiöser und rassischer Abgrenzung von anderen Kulturen nicht die religiöse Motivation Fahrenkrogs, zumindest lässt sich das aus seinem damaligen Schrifftum nirgends herleiten. Im Gegenteil, Gewalt und Vorurteile werden von ihm ausdrücklich abgelehnt. Ich paraphrasiere: „Wir sollten den Glauben anderer achten, wie wir die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind achten, sei es gelb oder schwarz [gemeint sind überspitzt dargestellte Hautfarben].“

    Nun mag man mit Recht argumentieren, dass Antisemitismus in dieser Zeit im Trend war und Fahrenkrog aufgrund von geistigem Umfeld und verwandten Strömungen alle Voraussetzungen dafür hatte, denn Abgrenzung und wohl auch Aversionen gegenüber dem Judentum bestanden bei ihm zweifellos. Was er aber als Mensch persönlich von der „jüdischen Rasse“ hielt, steht auf einem anderen Blatt, und hat wenig mit seinen religiösen Aktivitäten zu tun (zufällig weiß ich dass seine Familie mit Juden persönlich befreudendet war – das mag mitunter ein Grund sein warum er sich öffentlich nicht dazu äußerte).

    Ich weise dennoch nochmal darauf hin: Es stimmt, dass die alte GGG ariosophisch beeinflusst war und sie unter Fahrenkrog, ganz im Geiste ihrer Zeit und ihres personalen Dunstkreises, eine harte Abgrenzung sowohl in „Blut“ als auch „Bekenntnis“ von allem Nicht-Germanischen predigte. Aber man kann den Verein samt Gründer nicht einfach damit über einen solchen Kamm scheren.

  2. Lieber FW,

    ich wage mal zu behaupten, dass meine Kenntnisse über die „alte“ GGG doch deutlich über das hinaus gehen, was in der „Wikipedia“ steht. (Ich kenne z. B. Daniel Junkers Magisterarbeit „Gott in uns! Die Germanische Glaubens-Gemeinschaft – Ein Beitrag zur Geschichte völkischer Religiosität in der Weimarer Republik“ recht genau.) Daher sagen Sie mir inhaltlich nichts Neues.

    Das Ärgernis sehe ich weniger in der „alten“ GGG, auch wenn Fahrenkrogs pantheistischer Germanen-Mystizismus mit dem polytheistischen Asatru wenig zu tun hat. Er leitete seine eigene Erkenntnis direkt aus dem Wollen Jesu ab, so sehr er die christliche Dogmatik und die christliche Kirche, später dann das Christentum als solches ablehnte. Daher ist es schon etwas ärgerlich, wenn ausgerechnet die GGG als Beispiel für „germanisches Heidentum“ genannt wird – wenn auch aus Unkenntnis.

    Das Ärgernis ist vor allem die neue GGG! Schon wegen der Selbstüberschätzung und des Selbstdarstellungsdranges ihres Gründers Géza von Neményi. Meines Erachtens ist es für Asatru / „Alte Sitte“ / germanisches Heidentum im deutschsprachigen Raum sehr nachteilig, wenn seine Behauptungen aus Unkenntnis für bare Münze genommen werden.
    Inhaltlich hat von Neményis Version eines „Altheidentums“ nicht viel mit Fahrenkrog gemeinsam. Eher ist die neue GGG eine Kopie einer christlichen Kirche im Miniaturformat, samt Hierachie und Dogmenapparat, allerdings auf der Grundlage altnordischer Mythen.

    Wenn jemand annimmt, G. v. N.s GGG verträte „als anerkannte Religionsgemeinschaft“ das „authentische germanische Heidentum“ in Deutschland, ist das etwa so, als ob man annähme, die Zeugen Jehovas verträten „das Christentum“ in Deutschland. Der „Focus“-Artikel legt – ohne Absicht! – so einen Fehlschluss nahe.

  3. Gut, das kann ich alles genau so unterschreiben.

    🙂

  4. Schön, dass die Isländer das hinbekommen haben. Ich habe mir vorgenommen, Island und diesen Tempel, bei Gelegenheit, mal zu besuchen, sobald der eingeweiht worden ist.
    Was G.v.N. oder A.v.N., oder wie immer er sich gerade mal bezeichnet, und seinen kleinen Verein, von geschätzt wohl eher weniger als 10 aktiven Mitgliedern, angeht, lasst dem doch seinen Auftritt, der Verein ist doch sowieso so klein und unbedeutend, dass sich niemand mehr darum kümmern braucht. Außerdem gehört sowohl er, als auch sein Anhang, durchweg ja nicht mehr zu den „Allerjüngsten“, so dass sich das Ganze ohnehin in den nächsten Jahren, genau wie die alte GGG damals, demnächst, vermutlich durch Überalterung erledigen wird.

Schreibe einen Kommentar