Deix-Karikaturen: Österreichische Katholiken auf den Spuren radikaler Moslems

16. Dezember 2009 | Von | Kategorie: Gjallarhorn Weblog

Der österreichische Karikaturist Manfred Deix ist nicht dafür bekannt, sich um Tabus zu kümmern – oft zum Missvergnügen der Karikierten.
Über zwei seiner Karikaturen haben sich drei katholische Diakone derart empört, dass sie die Staatsanwaltschaft einschalteten.
Anlass für diesen ungute Erinnerungen an den Streit um die Mohammed-Karikaturen weckenden Vorfall war ein aus Symbolen von Religionen und politischen Ideologien (darunter dem Hakenkreuz) zusammenmontiertes „multikulturelles Kompromisskreuz“ und eine Karikatur zum Thema „wie sieht Gott aus“, die im November im österreichischen Magazin „News“ erschienen.
(Die Karikaturen auf News.at: Umgehen des Kruzifixverbotes im Klassenzimmer und Wer ist eigentlich Gott?.)
Bilderstreit Deix Karikaturen: Kirche schaltet Justiz ein (Der Standard)
Wiener Diakone gegen Deix-Karikaturen (ORF)
Kirche empört sich über Deix-Bilder (Ö 24)

Eine besonders pikante Note erhält diese Posse durch eine Stellungnahme der Erzdiözese Wien:

In einer Aussendung wird darauf hingewiesen, dass „viele Christen, angefangen von einem Franz Jägerstätter oder einem Dietrich Bonhoeffer“ ihr Leben hingegeben hätten, „weil es mit menschenverachtenden Ideologien wie dem Nationalsozialismus nie einen Kompromiss geben kann“. Die Deix-Karikatur „Entwurf für ein multikulturelles Kompromiss-Kruzifix“ vom 19. November stelle daher auch eine „unglaubliche Verhöhnung“ zigtausender Opfer von Nationalsozialismus und Kommunismus dar.

Nun, das ist wahr. Wahr ist allerdings auch, dass die katholische Kirche 1933 einen folgenschweren Kompromiss mit dem Nationalsozialismus schloss: das Reichskonkordart mit Nazi-Deutschland. Durch das Konkordat mit dem Vatikan gelang es den Nazis, das Misstrauen von Teilen der katholischen Bevölkerung gegen den Nationalsozialismus abzuschwächen. Außerdem wurde das Hitler-Regime durch den Abschluss des Konkordats international sozusagen hoffähig gemacht.
Den beherzten Widerstandskämpfern aus kirchlichen Kreisen stand leider eine erheblich größere Anzahl von opportunistischen oder sogar offen NS-freundlichen Priestern und Kirchenfunktionären gegenüber – auch in Österreich. Die fragwürdige Haltung des Papstes Pius XII. zu Nazideutschland und seinen beispiellosen Verbrechen, und die aktiven Beteiligung hochrangiger Vertreter der katholischen Kirche (z. B. Alois Hudal) bei der Flucht führender Vertreter des NS-Regimes, Angehöriger der SS und der Ustascha nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges („Rattenlinien“) sollten auch nicht unterschlagen werden.

Auch wenn die Vorfälle vom Ausmaß her nicht zu vergleichen sind, habe ich den Eindruck, dass die hysterisch-beleidigte und selbstgerechte Reaktion einzelner Mitglieder der katholischen Kirche tätsächlich auf der einer ähnlichen Denkstruktur wie die der radikalen Moslems gegen die dänischen Karikaturisten beruht: der Idee, dass „göttliche Geboten“ grundsätzlich Vorrang vor „weltlichen Gesetzen“ gebüre, die Vorstellung, im Alleinbesitz der göttlichen Offenbarung (und damit der religösen Wahrheit) zu sein und die Unfähigkeit, Spott und Kritik anders als als „Blasphemie“ oder als Angriff auf heilige Werte zu sehen.

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