Das Jul-Problem – Wie „heidnisch“ ist Weihnachten?

25. September 2008 | Von | Kategorie: Das Odins Auge Projekt, Odins Auge Artikel

Weihnachten ist in Deutschland auch ein politisches Problem – zumindest für Heiden, denn Jul ist ein „NS-belasteter“ Begriff.
Allerdings sind auch „ganz normale“ deutsche Weihnachtsbräuche nicht so „politisch korrekt“, wie es scheint.

Weihnachten ist keineswegs so durch und durch christlich, wie es oft heißt. Seine Wurzeln sind zumindest teilweise heidnischen Ursprungs. Allerdings gab es in der frühen Geschichte des Weihnachtsfestes noch keine germanischen Einflüsse!

Die ersten Christen feierten noch keine Weihnachten.
Die Geburt des Menschen Jesus schien ihnen gegenüber seiner Hinrichtung und Auferstehung unwichtig zu sein, denn sie lebten in Erwartung des „nahen Weltgerichts“. Erst im Laufe des 3. Jahrhunderts bürgerte sich der Brauch ein, Jesu Geburt zu feiern, und zwar zunächst am 6. Januar.
Nun gab es um die Wintersonnenwende herum im römischen Reich ein wichtiges Fest, die Saturnalien, zu Ehren des Gottes Saturn, eine Art „Karnevalsfest“. Ab dem 2. Jahrhundert breitete sich die Verehrung des altiranischen Göttes Mithras vor allem in der Armee aus. Züge des Mithras vermischten sich mit denen des Sonnengott Sol; es entstand der Kult des „Sol Invictus“ (unbesiegte Sonne), dem schärfsten Konkurrenten des Christentums im 4. und 5. Jahrhundert. Der jährliche Sieg des „Sol Invictus“ über das Dunkel wurde kurz nach der Sonnenwende, am 25. Dezember, gefeiert, symbolisiert als Geburt des Sonnenkindes.
Um von der Popularität dieses Festes zu profitieren, verlegte der römische Bischof Liberus das Fest der Geburt Jesu auf den diesen Tag. Infolgedessen drangen viele mit dem Sonnengott verbundene Vorstellungen in das christliche Fest ein.

Und was ist mit dem “germanischen Julfest”, das oft als Urform der Weihnacht dargestellt wird?
Es gibt kaum Zweifel daran, dass die vorchristlichen Germanen ein Fest zur Wintersonnenwende feierten. Allerdings lässt sich aufgrund der schlechten Quellenlage kaum etwas über dieses Fest sagen.
Etwas genauer sind wir über das Mitwinterfest der Nordgermanen zur Wikingerzeit unterrichtet, so z. B. über das „Midvinterblot“ (Mittwinteropfer) im schwedischen Alt-Uppsala, das vom christlichen Chronisten Adam von Bremen geschildert und mit gruseligen Menschenopferschilderungen ausgeschmückt wurde. Auch aus Saga-Texten und der Edda lässt sich einiges über die Mittwintergebräuche dieser Zeit ableiten, allerdings sollte man nicht vergessen, dass diese Texte erst lange nach der Missionierung niedergeschrieben wurden. Auch Volksagen, wie die über die „wilde Jagd“ zu den Rauhnächten, geben Hinweise auf die germanischen Mitwintervorstellungen – Hinweise, keine exakten Fakten. Dasselbe gilt auch für die zahlreichen Jul-Sagen aus dem nordgermanischen Raum, die oft erst lange nach der offiziellen Christianisierung niedergeschrieben wurden.
Midvinterblot
Künstlerische Darstellung des Midvinterblots von Carl Larsson. Quelle und Näheres zur Entstehung des Gemäldes: Wikipedia: Midvinterblot

Die Missionszeit
Im Zuge der Missionierung gelangte das stark römisch-heidnisch beeinflusste Fest der Geburt Christi vom 6. bis zum 9. Jahrhundert in den rechtsrheinischen Raum, nachdem das Christentum schon länger in den ehemals römischen Gebieten des heutigen Deutschland Fuß gefasst hatte. Die zeitliche Nähe zur Sonnenwende erleichterte sicherlich die Einführung des neuen Festes, aber es ist nicht so, dass die Missionare ein existierendes Fest einfach „christlich umdeuteten“ – sie brachten das kirchliche Fest der Geburt Christi als im wesentlichen fertiges Fest aus dem römischen Raum mit, das dann wahrscheinlich mit gewohnten Mittwinter-Bräuchen sozusagen germanisch überformt wurde.
Erst 813 wurde der 25. Dezember verbindlicher Kirchenfeiertag. Ob dies, wie oft behauptet, geschah, um sich an Volksbräuche zur Mitwinternacht anzugleichen, ist reine Spekulation.
Das deutsche Wort „Weihnachten“, aus dem mittelhochdeutschen „ze den wîhen nähten“, „zu den heiligen Nächten“, ist in einem Gedicht des Spruchdichters Spervogel aus dem Jahr 1170 erstmals literarisch belegt, also so lange nach der Missionierung, dass sich damit keine Bezüge zu heidnisch-germanischen Vorstellungen herstellen lassen.
Das Julfest, das skandinavische Mittwinterfest, wurde im Jahre 940 vom dänischen König Håkon dem Guten auf den Tag des Christfestes am 25. 12. verlegt. Vom älteren Fest ginge einige Bräuche, wie der Julschmaus, in das neue Fest ein.
Das christliche Weihnachten ist nicht mit dem heidnischen Mittwinterfest identisch, sondern es ersetzte es. Für ein „Sonnenkind“ oder ähnliche mittwinterliche Geburtsmythen fehlen im germanischen Raum alle Belege, so dass es bei den Inhalten des Festes einen deutlichen Bruch gegeben haben wird.

Vom zweitrangigen christlichen Fest zur Familienfeier
Weihnachten blieb lange Zeit ein neben Karfreitag / Ostern zweitrangiges christliches Fest. Die Entwicklung zum heute bekannten Familienfest setzte erst in der Neuzeit ein.
Der Weihnachtsbaum z. B. stammt aus den Festgebräuchen der südwestdeutschen Handwerkszünfte und ist erst in der späten Renaissancezeit nachweisbar. Sicher waren grüne Zweige zur Mittwinterzeit seit langem als Lebenssymbol gebräuchlich, allerdings wäre es übertrieben, den Weihnachtsbaum deshalb schon als „altgermanisch“ anzusehen. Von den städtisch-bürgerlichen Handwerkerschichten breitete sich der Brauch auf den Adel aus; hier zog der Weihnachtsbaum auch in die privaten Räumlichkeiten ein, denn der Weihnachtsbaum der Zünfte stand im öffentlichen Raum.
Es war auch der Adel, der den Weihnachtsbaum über Deutschland hinaus verbreitete, der erste Weihnachtsbaum Englands wurde z. B. erst 1800 von der aus Deutschland stammenden Königin Charlotte aufgestellt. Dass der Weihnachtsbaum im ländlichen Raum erst im 19. Jahrhundert Einzug hielt, spricht ebenfalls gegen einen uralten Brauch, da sich überliefertes Brauchtum auf dem Lande meistens länger hält als in der Stadt.
Der Adventskranz hat erst recht nicht mit einem alten Jahreskreis-Symbol zu tun, er wurde vom Hamburger Sozialreformer und Begründer der „inneren Mission“ Johann Hinrich Wichern 1839 im „Rauhen Haus“ eingeführt und breitete sich recht schnell im Norden aus, kam jedoch erst im frühen 20. Jahrhundert auch in Süddeutschland in Gebrauch. Dass es tatsächlich ältere „Kranzbräuche“ gibt erleichterte dem Adventskranz die Ausbreitung, was die Legende vom „uraltem Brauchtum“ des „Sonnenkranzes“ auch nicht wahrer macht.

Erst im 19. Jahrhundert waren alle Komponenten des heute bekannten bürgerlichen Familienfestes komplett: die vorweihnachtlichen Festlichkeiten, der geschmückte Tannenbaum in der „guten Stube“, der Austausch von Geschenken, schließlich der Adventskranz und ab dem Biedermeier der Weihnachtsmann.

Die Behauptung, der Weihnachtsmann sei ein Produkt der Coca Cola-Werbung aus dem Jahr 1930 ist eine moderne Legende mit einem Körnchen Wahrheit. Es gab ihn schon gut 100 Jahre früher, und auch die typische Erscheinung stammt nicht von einer Werbeagentur. Der typische rote Mantel zierte schon den weißbärtigen Nikolaus im Struwwelpeter von 1844. „Coke“ sorgte lediglich für ein „global vereinheitlichtes“ Santa Claus-Design in rot-weiß und verbreitete mit seiner Werbekampagne Santa bzw. den Weihnachtsmann in Regionen, in denen man diese aus mehreren älteren Sagen- und Legendenfiguren sozusagen montierte Figur noch nicht kannte.

Im 19. Jahrhundert setzte auch das ein, was gemeinhin die „Verweltlichung“ des Weihnachtsfestes genannt wird: der Weihnachtsgottesdienst ist nicht mehr alleiniger Höhepunkt der bürgerlichen Weihnacht, mindestens ebenso wichtig ist die „Bescherung“ im Familienkreis.

Zwischenfazit:
Die Behauptung, Weihnachten und die mit diesem Fest verbundenen Inhalte und Symbole seien auf germanisches Brauchtum zurückzuführen, ist also falsch. Es ist ein im Kern christliches Fest, an das sich z. B. vom Mittwinterfest oder dem Fest des Sol Invictus übernommenen Bräuche anlagerten, unterstützt durch geschickte Missionare, die das christlichen Fest an andere Kulturen anpassten.
Ebenso falsch ist aber auch die Behauptung, Weihnachten sei ein „rein christliches“ Fest, frei von heidnischen Elementen. Tatsächlich sind die christlichen Bestandteile in der neuzeitlichen Weihnacht in der Minderzahl.

Weihnachten ist ein buntes Konglomerat aus christlichen, jüdischen, römischen, altpersischen, germanischen, keltischen und slawischen Elementen, aus frühneuzeitlichen Zunftbräuchen und adliger Selbstdarstellung, aus romantischer Kunst und volkpädagogischen Ansätzen, aus bürgerlicher Harmoniesucht und proletarischer Sehnsucht nach einer besseren Welt, aber auch aus großen Anteilen politischer Propaganda und noch größeren eiskalt kalkulierter Werbestrategien – und vielen anderen Einflüssen mehr.
Weihnachten ist „das“ Fest der „abendländischen Zivilisation“ in all ihren Facetten.

Teil 2: „Braune Weihnachten“

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5 Kommentare
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  1. […] zum Thema: Das Jul-Problem: Wie heidnisch ist Weihnachten?.) Tags: ahnen, antike, feste, germanisch, Gesellschaft, götter, Heiden, heidnisch, jul, Musik, […]

  2. […] mit der christlichen Überlieferung zu tun haben: Den Weihnachtsbaum zum Beispiel – eine alte heidnisch-nordische Tradition zum Wintersonnenwend-Fest, die erst im Mittelalter so langsam im christlichen Europa Einzug fand […]

  3. […] Bräuche des Heidentums haben sich sogar in die christlichen Feierlichkeiten der Weihnachten und der Ostern eingeschlichen. Weil diese Feiertage ursprünglich heidnisch waren. Oder […]

  4. […] Quelle u. vollständiger Artikel: http://nornirsaett.de/das-jul-problem-wie-heidnisch-ist-weihnachten/ […]

  5. […] Ostern und Weihnachten keine christlichen, sondern…Detlef Nolde in "Das Jul-Problem – Wie „heidnisch“ ist Weihnachten?" […]

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