Arminius ist nicht „Hermann“

26. Februar 2009 | Von | Kategorie: Erforscht & Entdeckt, Ætt Feature

Ein wenig sieht er aus als sei er einem „Asterix“-Heft entsprungen, mit seinem Flügelhelm: der „Hermann“ auf der Grotenburg, bei Detmold im Teutoburger Wald. Hermann, nicht Arminius.
Denn Hermann ist eine Kunstfigur der Neuzeit, die nur lose auf dem historischen Cheruskerfürsten, dessen germanischer Name nicht bekannt ist, beruht.

Hermann – das ist die Hauptfigur in einem problematischen Gründungsmythos. Seit gut 500 Jahren ist die Varussschlacht Anlass für die Abgrenzung gegenüber vermeintlichen äußeren Feinden und die Konstruktion einer „deutschen Identität“ – obwohl „die Germanen“ keineswegs mit „den Deutschen“ gleichgesetzt werden können – da lagen Jahrhunderte dazwischen. Die Ethnogenese, die „Volkwerdung“ der Deutschen, die etwa ab dem 10. Jahrhundert einsetzt, knüpfte an keine germanische Einheit an. (Anders etwa als z. B. die Dänen, die tatsächlich an einen germanischen Stammesverband anknüpfen können.) Wenn sich aber die „tiudisk“, also die Volkssprache, sprechenden Menschen sich vor dieser Zeit nicht als Deutsche begriffen, dann gab es eben noch keine Deutschen.

Arminius hat, als Freiheitskämpfer, der er ja auch war, wohl schon einen Denkmalsplatz verdient. Ob er auch die Romanisierung Germaniens verhindert hat, ist, auch wenn der Historiker Alexander Demandt diese Ansicht im „Spiegel“ vertritt, hingegen strittig. (Noch strittiger ist die Frage, ob es welthistorisch besser gewesen wäre, wenn Magna Germania römisch geblieben wäre.)

Mit dem 2000. Jahrestag der verheerenden Niederlage der drei Legionen unter Varus gegen germanische Rebellen unter Arminius im Jahre 9 unserer Zeitrechnung sind sowohl Arminius wie Hermann wieder medial präsent.
Wieder präsent, denn im heutigen Deutschland hat man im allgemeinen Angst davor, Geschichtshelden zu glorifizieren. Wenn Arminius wirklich der „Hermann“ der deutschnationalen Legende gewesen wäre, wäre diese Vorsicht sogar berechtigt.
Hermannsdenkmal

Über das Leben Arminius vor der legendären Schlacht sind nur wenige biografische Details überliefert. Selbst über seinen germanischen Namen gibt es zahlreiche geistreiche und noch mehr geistlose, jedenfalls fruchtlose, Spekulationen. Sicher ist nur, dass er der Sohn eines Cheruskers namens Segimer (Segimerus) war, der eine führende Stellung in seinem Stamm hatte. Arminius war schon als Kind, vermutlich als Geisel, nach Rom gekommen. Er erhielt hier eine römische Erziehung und eine militärische Ausbildung; er machte als Militär Karriere, erhielt das römische Bürgerrecht und wurde in den Stand eines Ritters (eques) erhoben. Er bewährt sich als Offizier der Hilfstruppen und war wahrscheinlich an der Niederschlagung des pannonischen Aufstandes in Dalmatien beteiligt.

Es spricht sehr viel für die Annahme des Historikers Dieter Timpe, dass Arminius zum Zeitpunkt der Varusschlacht als Befehlshaber seiner cheruskischen Hilfstruppen unter römischem Eid und Befehl stand. Damit wäre geklärt, warum Varus dem Cherusker offenbar blind vertraute. Es würde auch erklären, wieso auf dem Schlachtfeld bei Kalkriese, dem wahrscheinlichsten Ort der Varusschlacht, ausschließlich römische Waffen und römische Ausrüstungsgegenstände gefunden wurden.
Selbst wenn Arminius damals nicht mehr aktiver römischer Offizier gewesen sein sollte – eines ist sicher: Seinen Sieg verdankte er nicht zuletzt dem Überraschungseffekt und der genauen Kenntnis der Schwächen der römischen Armee. Auch wenn die Quellen sich in mancher Hinsicht widersprechen, so stimmen sie darin überein, dass die von Varus kommandierten Legionen in unwegsames Gelände gelockt und aus dem Hinterhalt niedergemetzelt wurden. Im Sumpf und Wald kam die größte Stärke der Römer, ihre disziplinierte Ordnung, nicht zum Tragen.

Folgt man Tacitus, hat Arminius seinen Aufstand mit der Habgier, der Grausamkeit und dem Hochmut der Römer begründet. Dabei muss man aber im Auge behalten, dass Tacitus Kritiker einer aggressiven Eroberungspolitik war. Es liegt jedenfalls nahe, dass der Ärger über bislang ungewohnte Formen von Rechtsprechung und Steuererhebung unter den Ureinwohnern der neuen Provinz Magna Germania groß gewesen sein wird.
Das erklärt aber noch nicht, warum Statthalter und Feldherr Varus, anders als zuvor seine Kollegen in Gallien, mit der „Romanisierungs“-Politik scheiterte. Eine gängige Erklärung ist, dass die Germanen im Vergleich mit den Kelten zivilisatorisch im Rückstand waren – ihnen dürfte es wesentlich schwerer gefallen sein, den Kulturwandel als positiv zu akzeptieren. Weniger positiv formuliert: die Kelten waren nicht nur an Städte, sondern auch an Steuereintreiber gewohnt.
Vermutlich lag ein nicht unwesentlicher Grund für das Scheitern in der Struktur der germanischen Stammesgesellschaft, die offenbar keine starke politische Zentralgewalt akzeptierte. Tacitus bezeichnet Arminus als princeps (Fürst), was im römischen Sprachgebrauch auf eine republikanische Herrschaft hindeutet, im Gegensatz zum rex (König), mit dem eine diktatorische, Herrschaft beschrieben würde. Für spätere germanischen Stämmesgesellschaften ist bekannt, dass die „Zentralgewalt“ beim Thing, der „Volksversammlung“, lag, selbst bei Stämmen, die einen König kannten, hatte dieser nur das Vorschlagsrecht. Für einen ehrgeizigen Feldherrn wie Arminius war das ärgerlich: Nicht er hatte den „unbeschränkten Oberbefehl“, sondern jeder einzelne Stammesfürst konnte seine Anhänger zu den Waffen rufen und nach eigenem Gutdünken kämpfen.
Die Kriegskoalition des Arminius strebte nicht etwa ein „germanisches Reich“ an, sondern vielmehr warfen die Stammesfürsten Arminius vor, die Königsherrschaft – also die Diktatur – anzustreben. Daher ist es nicht wirklich überraschend, dass Arminius im Jahre 21 von Verwandten ermordet wurde.

Selbst wenn Kaiser Augustus wegen des Verlustes dreier Legionen panisch reagierte – er befürchtete wohl ein Übergreifen des Aufstandes auf Gallien – hatte Rom nur eine Schlacht, nicht aber den Krieg verloren.
Schon ein Jahr später brachen acht Legionen unter Tiberius zur Strafexpedition auf.

Was folgte, war ein typischer „Kolonialkrieg“: die Römer brannten germanische Dörfer nieder, versklavten und verschleppten zahlreiche Germanen, während die mit Arminius verbündeten Germanen erfolgreich eine Guerilla-Taktik praktizierten. Die „Politik der verbrannten Erde“ – abzulesen z. B. daran, dass die römische Siedlung bei Waldgirmes beim Abzug der Römer systematisch zerstört wurde – dürfte auch ursprünglich romfreundliche Germanen verprellt haben.
Tiberius, inzwischen als Nachfolger des Augustus Kaiser, gab im Jahr 17 u. Z. den germanischen Krieg auf.
Der wahrscheinliche Grund lag wohl darin, dass die militärisch durchaus mögliche Unterwerfung der Magna Germania für Rom einen unverhältnismäßig großen Aufwand an Mann und Material bedeutet hätte. Zwar gab es auch in Germanien einiges zu holen – die römischen Berichte über ein armes, unwirkliches Land voller Sümpfe und undurchdringlicher Wälder dürfte dem „saure Trauben“-Prinzip geschuldet sein – aber die notwendige Infrastruktur, um etwas aus der neuen Provinz holen zu können, musste erst entwickelt werden. Ein einfaches Beispiel: in Gallien gab es bereits Städte, die neben einigen römischen Neugründungen als Verwaltungs- und Wirtschaftszentren genutzt werden konnten, in Germanien musste die Römer alle ihre Städte selbst errichten.
Tiberius, als Veteran der Germanenkriege, schätzte das militärische Bedrohungspotenzial der notorisch zerstrittenen Germanen als ziemlich gering ein. Der Aufwand einer Eroberung stand nicht in einem sinnvollen Verhältnis zum zu erwartenden Gewinn an Steuereinkünften oder Sicherheit. Stattdessen dürfte es hier die wesentlich sinnvollere und vernünftigere Politik gewesen sein, sich die lokal gegebenen Gefolgschaftsstrukturen in Klientelkönigreichen nutzbar zu machen.
Dass spätere römische Chronisten das Bild eines unwirtlichen Landes voller Sümpfe, undurchdringlicher Wälder und griesgrämiger zivilisationsunfähiger Barbaren zeichneten, dürfte dem „saure Trauben“-Prinzip geschuldet sein – so wie Varus als Sündenbock für die Niederlage herhalten musste.

Obwohl das zivilisatorische Gefälle zwischen den römischen Provinzen am Rhein und dem armen, infrastrukturell „unentwickelten“ „freien Germanien“ beachtlich war, darf man sich die Verhältnisse etwa bei den Chatten und Cheruskern nicht allzu primitiv vorstellen. Auch dank intensiver Kontakte zu den Kelten gab es weit reichenden Handelsbeziehungen und ein stark differenziertes Handwerk. Tatsächlich deutet einiges darauf hin, dass die ökonomischen Verhältnisse in Germanien während der Römerzeit ärmlicher und primitiver waren, als in der Zeit, bevor die Römer kamen. Der Limes war keine militärische Sperranlage, sondern diente zur Kontrolle der Wirtschaftsbeziehungen: keine Ausfuhr römischer Waffen und römischer Technologie nach Germanen, aber auch keine Masseneinwanderung von Germanen.

Entgegen eine weit verbreiteten Legende gab Rom Germanien nie ganz auf. Große Teile des heutigen Süddeutschlands und der Rhein blieben römisch, unter Domitian wurden große Gebiete im heutigen Hessen und zwischen Rhein und Donau unterworfen. Im übrigen behielt Tiberius lange Zeit recht, das Vorfeld am Rhein muss damals recht ruhig gewesen sein, von den Germanen ging lange Zeit keine Bedrohung mehr aus.
Als ab Ende des 2. Jahrhunderts der Druck durch die germanischen Stämme zunahm, drangen römische Expeditionskorps immer wieder tief ins germanische Hinterland vor. Das kürzlich (2008) im Landkreis Northeim im südlichen Niedersachsen entdeckte Schlachtfeld aus dem 3. Jahrhundert, Schauplatz eines Gefechts zwischen Germanen und Römern, zeugt von dieser Phase der römisch-germanischen Auseinandersetzung.
Dass später die Wanderung germanischer Stämme den Untergang des westlichen Teils des Imperium Romanum nach sich ziehen würde, war aber auch zu dieser Zeit noch nicht abzusehen.

Warum scheiterten die Römer in Germanien?
Muss die Geschichte nach dem Fund eines römischen Schlachtfeldes in Niedersachen umgeschrieben werden?

Wikipedia: Arminius
Wikipedia: Varusschlacht

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8 Kommentare
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  1. hab den Artikel im Spiegel auch gelesen. War sehr interessant und hat wohl gründlich mit der Legende aufgeräumt. Hab besonders zu dem Denkmal ein gespaltenes Verhältnis. Es ist ja nach Frankreich ausgerichtet, dem Erzfeind der zeit, aus dem das Bauwerk stammt… damals spielten die Römer keine Rolle mehr in den Überlegungen

  2. Was das Demandt -Interview für den Spiegel angeht: meiner Ansicht nach räumt Demandt nur mit einige, ohnehin kaum noch geglaubten Legenden auf, während es andere Legenden geradezu beschwört.
    Mal ein paar Beispiele:
    „Erst als die Römer als Besatzer anrückten, stellten die Leute fest, dass sie sich bei aller Zerstrittenheit auch ähnelten. Sie kleideten sich in Pelze, tranken Bier. Tacitus berichtet, dass die Sueben seitlich am Kopf einen Haarknoten trugen. Archäologisch ist diese Kopftracht von der unteren Donau bis nach Dänemark und bis nach Holland gefunden worden. Das heißt: Alle Germanen haben diesen Knoten getragen.“
    Ja, das bekannte Germanenklischee vom felltragenden Biertrinker! Bier wurde auch von anderen Völkern, z. B. Kelten und Ägyptern geschätzt – und die typische Tracht der bäuerlich lebenden Germanen bestand nicht aus Pelzen. Es gab Pelzbesatz bei edler Kleidung und Schaffellmäntel oder ähnliches für den Winter. Das gab es aber auch bei den Römern. Aus den archäologischen Funden des Suebenknoten schießen zu wollen, alle (!) Germanen hätte diese Haartracht getragen, und er sei so etwas wie ein „eindeutiges gemeinsames Merkmal“ gewesen, ist m. E. alles andere als zwingend.
    „Die Germanenfrauen waren sehr fruchtbar. Ihr Kinderreichtum sorgte dafür, dass immer neuer Nachwuchs zu den Waffen griff. Rom sprach von der „Gebärmutter der Völker““
    Das war ein typisches römisches „Barbarenklischee“. Tatsächlich gilt die Theorie, Überbevölkerung sei die treibende Ursache der germanischen Wanderungsbewegungen bis hin zu den Wikingerzügen gewesen, als überholt. Es stimmt einfach nicht, dass die Germanen kinderreicher als andere Bauernvölker gewesen seien. (Und die relativ hohe Kindersterblichkeit muss auch in Rechnung gestellt werden.)

    Vollends fragwürdig ist Demandts Behauptung:
    „Auch die hätte nicht überlebt. Sie wäre ebenso ausgestorben oder marginalisiert worden. Goethe und Shakespeare hätte es nie gegeben.“
    Da andere schon diese steile These demontiert haben, verweise ich der Einfachheit halber auf diesen Artikel der F.A.Z.-Community – „Demandts Visionen: Varus siegt, die Römer bleiben“. Es kann nicht einmal als sicher gelten, dass die Romanisierung ‘Germaniens‘ nach einem Sieg des Varus gelungen wäre. Und es ist ja nicht so, dass überall, wo sich die Römer jahrhundertelang festgesetzt hatten, heute romanische Sprachen gesprochen würden.

    Daran, dass das Hermann-Denkmal, jedenfalls zur Zeit seiner Fertigstellung 1875, antifranzösisch und nicht etwa antimömisch ausgerichtet war, zweifle ich trotz des „antirömischen Affektes“, der fixen Idee konservativer deutscher Kulturkritiker, nicht.

    (Es gab ursprünglich, also als Ernst von Bandel 1838 das Denkmal plante, auch nicht-nationalistische Unterstützer, die in „Hermann“ in erster Linie den Freiheitskämpfer sahen. Noch bei der Feier zur Grundsteinlegung im Jahr 1841 sprachen beispielsweise die Festredner davon, dass Arminius „den Unterschied zwischen Herren und Sklaven, zwischen Bürger und Fremdling“ getilgt und auch die „übrigen Völker der Erde“ freigemacht habe. Aber diese weltoffene Gesinnung war nach 1848 und erst recht nach 1871 leider längst gegenüber einem aggressiv antifranzösischen Nationalismus ins Hintertreffen geraten.)

  3. Vermultich dürfte aus der damaligen Sicht ein Germanisches Reich abwegig sein und Arminius ist wohl auch kein Vercingetorix (der zwar auch vom Römerfreund zum Römerfeind wurde, aber der Kontext war etwas anders), aber Simek spekuliert, ob Arminius nicht vielleicht den Markomannen gleich tun wollte und dem Markomannenreich und dem Römischen Reich ein Heruskerreich gegenüberstellen wollte.

    Arminius wollte vermutlich eigentlich die alten Strukturen und Traditionen brechen und seine Einflussgebiete „modernisieren“. Er wäre also eine Art Reformer oder Revoluzzer. Nur machte er sich damit nicht allzu beliebt… .

    Ob er der große Sagenheld Siegfried ist oder nicht, ist auch so eine spannende Frage. Die Indizien (Name des Vaters würde passen, Name des Stammes: Hirschleute – Hirsch wird mit Siegfried öfters in Verbindung gebracht, Er besiegt den großen Drachen – römische Standarten tragen angeblich Drachenmotive und in der Varusschlacht zog sich die römische Formation zu einem „Lindwurm“, …) reichen leider nicht aus.

    Dass alle germanischen Stämme den Suebenknoten trugen, halte ich für unwahrscheinlich. Er war wohl zunächst bei den Sueben verbreitet und wurde dann vielleicht ein Modetrend unter den Männern. Dass die damit furchterregend aussehen wollten, kauf ich Tacitus nicht ab. Es passt einfach zu gut zu Tacitus das zu drehen, mit seinen ach so uneitlen und unoberflächlichen Germanen, die keinen Wert auf Schmuck, modische Kleidung oder Haartrachten legen (alles wiederlegt…).

  4. (wg. Siegfried: Mir is noch eins der Indizien eingefallen. Arminius und Siegfried wurden beide von Verwandten umgebracht.)

    Gruß, Jari

  5. „römische Standarten tragen angeblich Drachenmotive.“
    Das stimmt. Es gab die sog. Dracostandarten, aber meines Wissens wohl noch nicht zur augustäischen Zeit, sondern erst in der Spätantike, so vom 4. Jahrhundert an. Vielleicht eher, bei berittenen Hilfstruppen sarmatischer Herkunft.
    Da das Nibellungenlied eine Collage aus Motiven ist die zeitlich durch Jahrhunderte getrennt sind, würde ein weiterer krasser Anachronismus nicht verwundern. Aber der allegorische Sprung zwischen „Heerwurm“ und „Lindwurm“ erscheint mir dann doch zu gewagt. Allenfalls könnte ich mir vorstellen, dass der Name Sigfrid oder Sigurd etwas mit Arminius zu tun hat. (Verwandtenmorde gab’s zu viele, als das sie eine brauchbare Spur wären.)

    Der Bezug zwischen Sigfrid / Siegfried und den Hirschen erscheint mir etwas gewagt. Wenn ich mit die Völsunga-Sage, die ja gegenüber dem Nibelungenlied eine älterer Form der Sage ist, dann drängt sich da ein ganz anderes Tier auf: der Wolf.

  6. Hallo.

    Die Mythen um die Nibelungen sind nicht leicht zu durchschauen und entwirren; die einzelnen Legenden wurzeln hauptsächlich in die Zeit der Völkerwanderung.
    Hinter den zwei bedeutungsvollsten Personen, die ohne Zweifel Siegfried und Hagen darstellen, sind historische Vorbilder (im Gegensatz zu den meisten übrigen Gestalten der Sage!) nur schwer auszumachen und die Beziehungen zwischen Siegfried und Arminius sind mir auch noch nicht lange bekannt.

    Es ist hierbei klar, dass Arminius NIEMALS Siegfried IST, allenfalls erscheint es mir sehr gut vorstellbar, dass die Mythen des Arminius über die Jahrhunderte zur Grundlage Siegfrieds geworden sind, allerdings sollte man hier beachten, dass die eigentlichen Bezüge Siegfrieds und Hagen von Tronjes, wie wir sie heute kennen, wohl erst später in der Völkerwanderungszeit entstanden. So wird Siegfried wohl beispielsweise den Namen und andere Aspekte wie den eigenen Untergang von Arminius haben, während andere Aspekte im Lauf der Jahrhunderte von anderen Gestalten hinzukamen (vielleicht waren es ja auch solche die es ihm nachtun wollten?). Das erscheint mir eine logische Variante…

  7. Um eure Diskussion zu ergänzen hätte ich hier noch einen Link zu den sehr interessanten Aufsätzen Otto Klaus Schmichs, der leider Anfang 2008 verstarb:

    http://www.ingeborgschmich.de/Nibelungen/html/aufsaetze.html

    Otto Klaus Schmich hat noch ein ethymologisches Argument dafür, dass Arminius ein historisches Körnchen Wahrheit an der Sagengestalt Siegfrieds ist (siehe a.a.O.: Siegfrieds Tarnkappe historisch).

    Gruß
    Alura

  8. Ich habe Schmichs Aufsatz gelesen und halte seinen Ansatz für wenig plausibel.
    Der Siegfried des Nibelungenliedes ist ziemlich deutlich eine „eingedeutschte“ Form des aus der altnordischen Sagendichtung bekannten Sigurds. Obwohl z. B. die Völsunga Saga zeitlich nach dem Nibelungen-Lied niedergeschrieben wurde, gehört sie eindeutig einer älteren Bearbeitungsstufe an – d. h. der Nibelungen-Dichter hat die Völusunga-Saga wohl nicht gekannt, sehr wohl wird er aber inhaltlich entsprechende, noch stark vorchristlich geprägte, Sagen der selben Überlieferungstradition gekannt haben, die er entsprechend seiner schon hochmittelalterlichen Umwelt „modernisierte“. Zum Beispiel durfte Brunhilde keine verbannte Walküre mehr sein, sondern wurde zur Königin aus dem fernen Island. (Wobei offen bleibt, woher sie dann ihre übermenschlichen Körperkräfte hatte.) Auch Siegfrieds Abstammung aus Xanten ist erkennbar eine „spätere Zutat“, deshalb auch sein für einen freienden legitimen Prinzen unpassender erster Auftritt an Gunthers Hof in Worms.
    Entscheidend dabei ist: Sigurd als der gegenüber Siegfried ältere Sagenheld war nicht unverwundbar – und die „Unverwundbarkeit“ bzw. „Hornhäutigkeit“ Siegfrieds ist ein zentrales Element in Schmichs Argumentation. Für wichtig halte ich auch, dass die historischen Vorbilder aller Personen des Sagenkreises um Siegfried / Sigurd und um Kriemhild / Gudrun, für die sich überhaupt historische Vorbilder ermitteln ließen, aus 5. Jahrhundert stammen (oder noch später, eventuell hat der Nibelungendichter auch den Streit im Haus der Merowinger zwischen den Königinnen Brunichild und Fredegunde aus dem 6. Jahrhundert verwendet).
    Es ist eine interessante Überlegung, aber m. E. ist sie nicht schlüssig belegt.

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