Angelsächsischer Friedhof stellt Theorie der gewaltsamen Invasion infrage

1. März 2014 | Von | Kategorie: Wissenschaft

Was die Quellenlage angeht, ist das fünfte Jahrhundert unser Zeitrechnung, jedenfalls in Europa, tatsächlich ein „dunkles Zeitalter“ – die Zeit der Völkerwanderung, des spätantiken Bücherverlustes und des Untergangs des weströmischen Reiches.
Ganz besonders gilt das für Großbritannien nach dem Ende der römischen Herrschaft über England und Wales und bevor sich in England die angelsächsischen Königreiche des frühen Mittelalters etablierten.

Sagen und Legenden, z. B. jene um König Arthur, beschreiben eine brutale Eroberung durch die angelsächsischen Invasoren, bei der die einheimische Bevölkerung fast völlig ausgerottet bzw. vertrieben worden sei.

Es gibt archäologische Hinweise, die die Hypothese einer brutalen Landnahme stützen, aber auch solche, die auf einen realativ friedlichen Prozess hindeuten.

Eine neue Studie, die in der Fachzeitschrift „Journal of Archaeological Science“ veröffentlicht wurde, kommt zum Ergebnis, dass der Prozess der Landnahme eher friedlich ablief.
Dr. Andrew Millard von der Durham University, einer der Hauptautoren der Studie, sagt, dass der wesendliche Streitpunkt darin läge, wie viele Angeln und Sachsen über die Nordsee kamen. War es eine Masseninvasion, die die einheimische Bewölkerung ausgelöscht oder nach Wales zurückgedrängt hat, oder kam nur eine kleine Elite, deren Lebensweise schnell übernommen wurde? Der Studie zufolge weisen die von den Forschern zusammengetragenen Indizien deutlich auf die zweite Möglichkeit hin.

Viele der Hinweise stammen aus dem frühen angelsächsischen Friedhof an Wally Corner, Berinsfield, im oberen Themsetal in Oxfordshire. Es wurde 1960 untersucht, wobei römisch-britischen Gräber aus dem ersten bis vierten Jahrhundert entdeckt wurden. 1974 und 1975 entdeckten Oxforder Archäologen bei einer Rettungsgrabung in einer Kiesgrube das angelsächsische Gräberfeld.
Die meisten der Gräber enthielten Grabbeigaben wie Waffen, Messer, Schmuck, Spindeln, Eimer und Keramik, die zeigen, dass der Friedhof für ca. 150 Jahre, vom Anfang / Mitte des 5. Jahrhunderts u. Z. bis zum frühen 7. Jahrhundert benutzt wurde.
Waren hier Einheimische bestattet, die sächsischen Lebensstil und Kultur angenommen hatten, oder waren es Einwanderer vom Kontinent? Es wurden Skelettreste von 30 männliche und 32 weibliche Erwachsenen identifiziert. Die Gräber enthielten etwa 70 Erwachsene, 9 Jugendliche und 25 Kinder, wobei die meisten Erwachsenen zwischen 20-45 Jahre alt waren. Einige der Gräber wurden in Gruppen angeordnet, was darauf hindeutet, dass dort Anghörige von bestimmten Familien oder Haushalte bestattet wurden.
Die neu beurteilten Untersuchungen wurde die einheimische Bevölkerung nicht ausgerottet oder verdrängt, sie weisen vielmehr auf eine eher kleine Gruppe germanischer Einwanderer hin, die im England in den Wirren und Unruhen nach dem Ende der Römerzeit sehr schnell die kulturelle Vorherrschaft errangen, ohne das der genetische Beitrag der germanischen Einwanderer sehr groß gewesen wäre.

Mehr hierzu auf „Past Horizons“: Anglo-Saxon cemetery results question violent invasion theory

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