Als die Sau noch Göttin war: Nazis und Germanen – der unerkannte Gegensatz

29. Mai 2011 | Von | Kategorie: Odins Auge Artikel

Nazis und Germanen – der unerkannte Gegensatz

Germanen – dieses Thema ist kein Thema. Dadurch wird die Definition dessen, was germanisch war, und was germanisch ist, den ideologischen Nachfolgern der alten Nazis überlassen. Auf deutsch: Wir lassen uns wichtige Teile der Geschichte und Vorgeschichte von Völkermördern und deren Sympathisanten deuten. Ich will etwas anderes. Ich will die Spreu vom Weizen trennen. Ich will mir europäische Geschichte und Vorgeschichte nicht von Kulturverächtern, sozialdarwinistischen Mördern und Menschheitsverbrechern diktieren lassen. Ich will mir dieselbe Geschichte und Vorgeschichte auch nicht von bewusst frömmlerischen, unbewusst faschistoiden Esoterikern venebeln (und damit abermals verdrehen) lassen. Ich will ferner nicht mindestens sechs (bis maximal 15) Jahrhunderte weiterhin totgeschwiegen oder mit Nebensätzen übergangen wissen von gutmeinenden Geschichtsschreibern, die sich schämen für Schauergeschichten über Heidenbräuche, die altrömischer oder frühkirchlicher Propaganda – oder eben der Goebbels´ – entspringen. Ich will Tatsachen aufzeigen und belegen. Ich will ansatzweise erläutern, was Germanen von denen unterscheidet, die sich (gestern und heute) so gern auf sie berufen.

Mein Fazit: Hält man sich an historische Fakten, sind Germanentum und Nazitum unvereinbar. Ihre Werte und Weltbilder sind nicht nur verschieden, sondern diametral entgegengesetzt. Hätten die Deutschen wirklich germanisch empfunden, wäre Hitler Anstreicher geblieben und Himmler ausgelacht worden. Falls es solche Gestalten tatsächlich zu irgendeiner Führerschaft gebracht hätten, wären sie allerspätestens 1942 als Sakralopfer fällig gewesen (vermutlich aber schon 1939. Zugegeben: Zum Sakralopfer hätte es wohl doch nicht ganz gereicht, weil man Hitler eher schon 1933 abgesetzt hätte: dies ganz unsakral, aber herzhaft) – ganz davon abgesehen, dass die Ausgrenzung ganzer Volksteile (von deren Ermordung mal zu schweigen) germanischem Denken und Handeln total widerspricht. Soziale Ausgrenzung von Teilen der Gemeinschaft (im deutschen Falle damals vor allem der Juden) ist historisch belegbar das Ungermanischste, was man sich überhaupt vorstellen kann. Es gibt keinen einzigen nationalsozialistischen Kernsatz oder Wunsch, der irgendwie “germanisierbar” wäre – hält man sich an die historischen Fakten.
Germanische Kulturen waren weder rassistisch noch nationalistisch; Stechschritt und Kadavergehorsam sind keine germanischen Werte, sondern preußische Erfindungen; germanische Stämme definierten sich nicht über reale Blutsverwandtschaften, sondern spirituelle Bindungen; germanische Führer hatten keine diktatorische Macht, sondern soziale Verantwortung, zu der sie ggf. sehr real gezogen wurden; kurz – eine germanische Nation hat es nie gegeben, denn: Mit Stammeskulturen ist kein Staat zu machen.

Straßentempel der Nemesis
Straßentempel der Nemesis in Carnuntum. Nicht „germanisch“, aber den Nazis und ihren Nachbetern angemessen! – Foto: Brigh

Das Böse will ich nicht beklagen, sondern bekämpfen. Dazu muss ich Gutes tun, muss sozusagen im Guten wurzeln – und der unpopuläre Aspekt meiner These ist, dass dieses Gute mit germanischer Kultur zu tun hat. Die kann und will ich keineswegs idealisieren – vielleicht, weil germanische Kultur selbst kaum Ideale in unserem Sinne kannte, sondern nur Rezepte, die sich als praktisch, als alltagstauglich erwiesen. Das bedingte deren ständige Veränderungsbereitschaft, sprich: Flexibilität. Die germanische Mythologie kennt kein Paradies, sondern nur ein geschicktes Balancieren zwischen kosmischen Spannungsverhältnissen. Dementsprechend rau, kantig und unrund klingen ihre Überlieferungen.
Germanische Götter sind keine allmächtigen Schöpfer, sondern Vorbilder: übermenschlich zwar, aber mit erheblichen Macken. Auf deren Form und Sinn komme ich noch zu sprechen. Die Nazis jedenfalls hatten und haben von germanischen Göttern nicht die geringste Ahnung. Sie erschlugen Europa mit dem Knauf des germanischen Schwerts, doch sie umfassten es stets an der Schneide. Tatsächlich meine ich es so wie ich´s sage. Die Nazis stellten die germanische Kultur auf den Kopf. Sie konnten sich der sogenannten “Germanen” nur bedienen, indem sie germanische Werte in ihr Gegenteil verkehrten. Zum Teil sogar buchstäblich, wie das sogenannte Hakenkreuz zeigt: Die Swastika drehte sich bei Germanen und deren Vorfahren anders herum (spiegelverkehrt, müsste man heute sagen); als altes Sonnensymbol war sie weiß, nicht schwarz. Aus dem mindestens fünf Jahrtausende alten Zeichen göttlichen Lebens wurde in nur wenigen Jahren weltweit das des fanatischen Mordes. Doch ich will mich nicht mit Äußerlichkeiten begnügen. Mit “rassischer Reinheit” hätte das historische Völkergemisch der echten “Germanen” ebensowenig anzufangen gewusst wie mit dem asozialen “Herrenmenschen”-Ideal der deutschen Faschisten. Sogar noch der in der Edda postpagan überlieferte nordische Götterhimmel präsentiert sich weniger als blauäugiges Heldenepos denn als burschikoses Behindertenballett – davon später mehr.

“Wer Wind sät, wird Sturm ernten,” sagt die Bibel. Ich ergänze hiermit: “Wer Sturm ruft, erntet Wotan” – und dessen archaischer Kraft (samt kultureller Implikation) sind Rassisten, wie die Geschichte schon einmal bewies, nicht gewachsen. Aus dem beschworenen “Endsieg” Deutschlands wurde dessen bedingungslose Kapitulation, aus “Ahnenerbe” Geschichtsvergessenheit, aus dem drittklassigen deutschen “Reich” eine erstrangige Katastrophe. Vielleicht hätten sich die Deutschen des 20. Jahrhunderts doch etwas besser informieren sollen, welche Geister sie da riefen – und welcher unbekannten, ja fremden Kultur die tatsächlich entstammten. Über diese unbekannte Kultur möchte ich sprechen.

Weiter: Wer waren die „Germanen?“

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Ein Kommentar
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  1. […] archäologische und vergleichend-etnologische Forschung ergab, dass etwas Ungermanischeres als die germanentümelnden Nazis kaum denkbar ist. Gerade die Antifa ging damals von der Faustregel aus, dass jemand, der es mit den […]

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