Alltagsrassismus – Eine Frage der Hautfarbe

11. Juli 2010 | Von | Kategorie: Gjallarhorn Weblog

Rassismus ist leider ein Dauerthema. Das Hauptproblem in Deutschland und Österreich ist dabei jener Rassismus, der nach der Ansicht der Rassisten gar kein Rassismus sei – zum Beispiel der „Ethnopluralismus“. Ein anderes Problem ist, dass Rassismus in Deutschland oft mit rechtsextremer Ideologie und Gewalt gleichgesetzt und dadurch zu eng verstanden wird: UN-Kritik an zu engem Rassismusbegriff in Deutschland.

Aber es gibt ihn noch – den schlechten alten Rassismus, der den Wert eines Menschen nach einem einzigen äußeren Merkmal, nämlich der Hauptpigmentierung, bemisst. Weil so offener Rassismus „nicht gesellschaftsfähig“ ist, zeigt er sich vor allem als unreflektierter, dummer und spontaner Alltagsrassismus. Der für dunkelhäutige Menschen lebensgefährlich sein kann.

Ein böser Witz behauptet, es gäbe in Deutschland Gegenden, in denen die Leute so rassistisch seinen, dass man da nicht nach einem längeren Strandurlaub hingehen sollte.

Leider ist dieser Witz nicht völlig absurd.

Ich lernte vor einigen Jahren eine Frau kennen, die geradezu panisch der Sonne aus dem Weg ging, und die grundsätzlich dick Sonnenblock auftrug, wenn sie sich im Freien aufhielt. Sie tat das nicht, wie ich zuerst vermutete, aus Panik vor Hautschäden, und auch nicht, um eine „vornehme Blässe“ zu kultivieren. Ich musste trocken schlucken, als ich den Grund erfuhr. Ihr Vater war Inder. Das sah man ihr normalerweise nicht an, aber wenn sie in die Sonne ging, wurde sie sehr schnell so dunkel braun, dass sie offensichtlich aus dem Schema „normale Deutsche“ heraus fiel – womit leider mehr als der eine oder andere „dumme Spruch“ verbunden war.
Bei außen „arisch-weißen“, innen kackbraune Rassisten gibt es diese Denke in verschärfter Form:

Wat, auch noch Geld dafür bezahlen um wie´n Molukke auszusehen?!

Durchaus typischer Post in einen Nazi-Forum zum Thema „Solarium“.

Angesichts dieser brutalen und primitiven Denke muten Diskussionen über Rassismus oft weltfremd an.

Es ist sicher zu begrüßen, dass das Wort „Neger“ zumindest aus dem gehobenen Sprachgebrauch verschwunden ist. Mit „Neger“ sind Konnotationen aus Kolonialgeschichte, Sklaverei, Rassismus, Exotismus, aber auch „gut gemeinter“ Bevormundung verbunden, die sich nicht vom Wort trennen lassen.

Wie brisant das „N-Wort“ tatsächlich ist, zeigt der Fall einer bestimmt nicht rassistisch gemeinten Satire in der „taz“, die aber dennoch diskriminierend und strukturell rassistisch ist, wie Afrika Wissen Schaft aufzeigt: Satire darf alles? – Über Rassismus, political correctness und Humor.

Es gibt, wie momorulez schrieb, ja mittlerweile so was wie einen identitären Antirassismus, Antisexismus und Anti-Homophobiekampf, der sich fast schon dadurch belästigt fühlt, dass es Schwarze, Frauen und Schwule in der Realhistorie überhaupt gab, weil ja seine eigene Güte dem gegenüber prioritär ist und die Beschäftigung mit sich selbst viel wichtiger.

Die „richtige“ Gesinnung zu haben ist eben wichtig, und wichtig ist es auch, sich zu vergewissern, zu den „Guten“ zu gehören. Daher ist, von klar diskriminierenden Ausnahmen wie dem Wort „Neger“ (oder noch eindeutiger: „Nigger“) abgesehen, „politisch korrekte“ Sprachregelung nicht für die „Opfer“ da.
Mal in einen nicht rassistischen Kontext übersetzt: es sei jedem Österreicher unbenommen, mich als Piefke zu bezeichnen. Der Anstand gebietet es mir, das mit Humor zu nehmen. Denn Österreicher haben niemals Deutsche versklavt oder ihrer Kultur beraubt.

Es geht, wenn man rassistische Sprache vermeidet, nicht um eine meist formelhafte, oft euphemistische „political correctness“, sondern um Respekt und um Verantwortung!

Darum halte ich überhaupt nichts von scheinbar „politisch korrekten“ Ausdrücken wie „Afrikaner“
(es gibt auch hellhäutige Afrikaner) oder auch „Schwarzafrikaner“ (weil da wieder Klischees dran hängen – und weil nicht jeder Schwarze Afrikaner ist). Außerdem verschleiern solche Ausdrücke etwa im Journalismus oder einem Polizeibericht unter Umständen den Rassismus, wenn ein Mensch wegen seiner Hautfarbe verletzt oder getötet wird.
„Farbiger“ wäre nur dann brauchbar, wenn es farblose Menschen gäbe. (Gut, im übertragenen Sinne gibt es die schon.) Außerdem wird „Farbiger“ oft als Euphemismus verwendet – von Menschen, die sich um den Begriff „Schwarzer“ herumdrücken.

Wie sollten man also einen sehr dunkelhäutigen Menschen nennen, wenn tatsächlich die Hautfarbe von Belang sein sollte? Ganz einfach: einen Schwarzen!
So wie ich einen hellhäutigen Menschen, auch wenn kaum jemand bleich wie ein Stück Kreide ist, als „Weißen“ bezeichne.

Außerdem gibt es es noch die, wenn es wirklich um die Farbe der Haut (nicht das Konstrukt „Hautfarbe“) geht, ganz praktischen Ausdrücke „hellhäutig“ und „dunkelhäutig“.
Mehr braucht man wirklich nicht.

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2 Kommentare
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  1. Und das setzt sich vielerorts in einem positiv gemeinten Rassismus fort.
    Demnach müsste ich die Hitze gut vertragen, liebend gerne trommeln, gern mal einen rauchen und natürlich temperamentvoll und lasziv sein.

    Die Realität sieht grundlegend anders aus, auch wenn das ein oder andere vielleicht zutrifft, aber sicher nicht mehr, als bei jedem anderen Hell- oder Dunkelhäutigen auch.

    Darüber hinaus habe ich aber tatsächlich auch eine Unsicherheit, wie ich mich bezeichnen soll, nun bin ich ja weder hell- noch dunkelhäutig, sondern liege eindeutig dazwischen. In der Karibik, woher ein Teil meiner Vorfahren ja stammt, ist die Bezeichnung Mulattin gebräuchlich, hierzulande aber auch negativ behaftet. Also da schwimme ich, stelle ich fest. Aber ich komme wenig in den Zwang mich dahingehend beschreiben zu müssen, weil ich wenige Gespräche führe, in denen meine Hautfarbe von Belang ist. Trotzdem, eine befriedigende Lösung habe ich noch nicht gefunden.

  2. Nachdem ich Dich persönlich traf, kann ich bestätigen: Du liegst tatsächlich zwischen „hell“ und „dunkelhäutig“. (Besonders, wenn Du zwischen zwei „Weißen“ sitzt, die sonnenbedingt etwa den gleichen Hautton haben.) Ich denke, es wäre in Ordnung, wenn ich schreiben würde, die Wurzeln der Wurzelfrau lägen unter anderem auf einer für Rum, Reggae und Rekordsprinter bekannten Karibikinsel – die sich allerdings ebenso wenig darauf reduzieren lässt, wie Deutschland auf Korn, Krautrock und Kuckucksuhren. (Was statistisch gesehen bedeutet, dass Du Vorfahren aus praktisch allen Teilen der Erde hast, vielleicht mit Ausnahme des tibetischen Hochlandes und dem Landesinneren Papua-Neuguineas.) Aber normalerweise ist es eben nicht nötig, darüber zu schreiben oder zu reden.

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